Kommentar Die WM in Katar - Moderne Sklaverei

Bonn · Die Welt schaut auf Katar. Die Ausbeutung von Gastarbeitern in der Baubranche im Land des künftigen Fußball-WM-Gastgebers ist nichts anderes als moderne Sklaverei.

Amnesty International hat jetzt neue Belege dafür geliefert, dass vornehmlich Nepalesen in dem Emirat am Golf unter erbärmlichen Bedingungen schuften - einige bis zum Tode. Trotz extremer Hitze ohne Trinkwasser gelassen, über Monate nicht bezahlt, und in Elendsbarracken untergebracht.

Derart menschenunwürdige Zustände herrschen aktuell beileibe nicht nur in Katar. Der Wüstenstaat aber steht im Blickpunkt, weil er wie viele totalitäre Systeme zu Beginn des 21. Jahrhunderts sein Volk mit sportlichen Großereignissen ruhigstellen sowie außenpolitische Imagepolitur betreiben möchte. Die Fußball-WM 2022 als große VIP-Loge für internationale Beziehungen - auf dem Weg dahin Weltmeisterschaften im Schwimmen, Handball und Radsport, zudem jährlich internationale Tennis-, Reit- und Golfturniere der höchsten Kategorie.

Es ist die gleiche Strategie wie in der römischen Antike: Pathetisch inszenierte Großereignisse sollen von den wahren Problemen ablenken und einer dekadenten Gesellschaft das liefern, was der römische Dichter Juvenal in seiner Satire "panem et circenses" beschrieb: Brot und Spiele.

Zeitweise sollen mehr als ein Drittel der Einwohner Roms Sklaven gewesen sein. Ein Verhältnis, das in Katar im negativen Sinne noch übertroffen wird: Neben offiziell 1,7 Millionen Einwohnern gibt es Schätzungen zufolge 1,5 Millionen Wanderarbeiter ohne Papiere. Auch wenn Franz Beckenbauer ernsthaft erklärt hat, er habe nicht einen einzigen Sklaven in Katar gesehen, weder mit Fußfesseln noch Büßerkappen auf dem Kopf. Ein Glück, dass die Welt zuschaut und protestiert: Im Sog von Menschenrechtsorganisationen kann auch der Fußball-Weltverband Fifa nicht anders, als Reformen vom Katar zu fordern.

Eine andere Baustelle hat Russland mit der Schwarzmeerstadt Sotschi als Gastgeber der Olympischen Winterspiele 2014. Den Russen blühen Proteste gegen die gesetzlich verankerte Diskriminierung Homosexueller. Und was, wenn ein prominenter Profi die Fußball-WM 2018 in Russland als Plattform für sein Outing nutzt? Die Welt würde es als Argument für mehr Toleranz begreifen. Zugegeben: Der von Olympia 2008 in Peking erhoffte Impuls zur Öffnung der chinesischen Gesellschaft ist ausgeblieben. Dissidenten werden weiter verfolgt, die Hoffnung auf Pressefreiheit hat sich als trügerisch erwiesen.

Dennoch gilt im Medienzeitalter mehr denn je: Die Bühne globaler Sportereignisse garantiert grelles Scheinwerferlicht. Ohne solches verstoßen totalitäre Regimes definitiv weiterhin gegen Menschenrechte. Deshalb ist die WM gut für Katar und seine Gastarbeiter: Die Welt schaut hin.

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