Kommentar zu Corona-Infektionen Die zweite Welle ist da
Meinung | Berlin · Seit Mitte Juli steigen die Infektionszahlen in Deutschland. Es gibt eine Welle der Corona-Ansteckungen, das ist nicht mehr zu leugnen. Um so wichtiger ist es, dass die Politik das Kind beim Namen nennt, meint unser Autor.
Sicher, die Zahl der Corona-Infektionen ist nicht so drastisch wie zu Beginn der Pandemie, als es kaum Gegenmaßnahmen gab und nur der Lockdown half. Doch ein weiterer Lockdown ist nicht ausgeschlossen, wenn sich die Menschen im Alltag und bei besonderen Anlässen wie Hochzeiten, Einschulungen oder Geburtstagen nicht wieder auf mehr Disziplin besinnen.
Dafür ist wichtig, dass die Welle auch so genannt wird. Experten tun das bereits, weil die Indikatoren klar sind: Der sogenannte Reproduktionswert, der angibt, wie viele Menschen im Schnitt von einem Infizierten angesteckt werden, lag zuletzt konstant über 1. Es gibt überall in Deutschland Ausbrüche zu vermelden, die nicht mehr klar auf besondere Ereignisse zurückzuführen sind. Und es sind viele Altersgruppen betroffen.
Die „zweite Welle“ ist also da und die Bundesregierung, allen voran Bundeskanzlerin Angela Merkel und Gesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU) sollten das gemeinsam mit den Ministerpräsidenten auch so sagen. Denn die Angst, dass das Wort von der „zweiten Welle“ zu Verunsicherung oder gar Panik in der Bevölkerung führen könnte, ist kein guter Ratgeber in dieser Lage.
Wichtiger wäre es, den Menschen nach monatelangem, ermüdendem Alltag mit Maske, Abstand und den anderen Hygiene-Beschränkungen reinen Wein einzuschenken und sie dazu zu ermuntern, weiterhin auf die ungeliebten aber einzig wirksamen Maßnahmen zu setzen.
Es ist wichtig, dass es auch künftig möglich bleibt, Freunde, Familienmitglieder und Bekannte zu treffen. Und Jens Spahn hat recht, wenn er dem Regelbetrieb von Schulen und Kitas und der Öffnung des Handels sowie einem möglichst normalen Wirtschaftsbetrieb insgesamt Priorität einräumt. All das ist jedoch in Gefahr, wenn die Menschen im Alltag nachlässig werden. Dagegen braucht es ein mittlerweile überfälliges Signal neuer Einigkeit zwischen Bund und Ländern.
Ein geeinter Aufschlag von Kanzlerin, Gesundheitsminister und Ministerpräsidenten ist wichtig, um Deutschland wieder auf den guten Weg in der Pandemiebekämpfung zu bringen, auf dem es monatelang war. Wenn Angela Merkel an diesem Dienstag nach NRW kommt, hat sie eine gute Gelegenheit für eine klare Botschaft an die Bevölkerung. Hoffentlich nutzt sie diese.