Kommentar zur AfD-Klage Diese Klatsche hätte sich Seehofer sparen können

Meinung | Karlsruhe · Das Bundesverfassungsgericht urteilte am Dienstag, dass Seehofers Bemerkung, die AfD sei „staatszersetzend“ gegen deren Recht auf Chancengleichheit verstößt. Das Urteil war erwartbar. Diese Klatsche hätte Seehofer sich ersparen können, kommentiert Eva Quadbeck.

 Der Zweite Senat beim Bundesverfassungsgericht, (l-r) Peter Müller, Andreas Voßkuhle, Vorsitzender des Senats und scheidender Präsident des Gerichts, und Peter M. Huber, verkündet das Urteil über eine Klage der AfD gegen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Laut des Urteils wird der AfD-Klage gegen Seehofer stattgegeben.

Der Zweite Senat beim Bundesverfassungsgericht, (l-r) Peter Müller, Andreas Voßkuhle, Vorsitzender des Senats und scheidender Präsident des Gerichts, und Peter M. Huber, verkündet das Urteil über eine Klage der AfD gegen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Laut des Urteils wird der AfD-Klage gegen Seehofer stattgegeben.

Foto: dpa/Uli Deck

In der Corona-Krise ist die AfD von Woche zu Woche stärker in die Bedeutungslosigkeit gerutscht. Ausgerechnet wegen einer kritischen Äußerung des Bundesinnenministers über die Partei bekommt die AfD nun wieder Wind unter die Flügel. Das Bundesverfassungsgericht urteilte am Dienstag, dass Seehofers Bemerkung, die AfD sei „staatszersetzend“ gegen deren Recht auf Chancengleichheit verstößt.

Das Urteil war erwartbar. Diese Klatsche hätte Seehofer sich ersparen können. Es gibt ein Vorlage: Die frühere Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) war schon einmal in einem ähnlichen Fall gegenüber der AfD unterlegen. Selbstverständlich dürfen und müssen auch Minister in ihrer Eigenschaft als Parteipolitiker andere Parteien kritisch bewerten. Im Fall der AfD ist es nur zu begrüßen, wenn sich einflussreiche Parteipolitiker kritisch mit ihr auseinandersetzen. Eine Schwelle wird aber überschritten, wenn sie solche Interview-Äußerungen auf den offiziellen Websites ihrer Ministerien einstellen lassen. So einfach ist das. Spätestens seit dem Fall Wanka weiß man das. Einer Behörde wie dem Innenministerium, in dem zahlreiche gut bezahlte Juristen sitzen, hätte das nicht passieren dürfen.

Mit seinem Agieren hat Seehofer seinem eigentlichen Anliegen, nämlich die demokratische Grundordnung zu verteidigen, einen Bärendienst erwiesen. Nun frohlockt die AfD und kann den Innenminister maßregeln, auch er müsse sich an Recht und Gesetz halten.

Dabei ist Seehofers Äußerung inhaltlich absolut zu verteidigen. Der CSU-Politiker hatte mit dem Begriff „staatszersetzend“ auf Äußerungen eines AfD-Bundestagsabgeordneten reagiert. Dieser wiederum hatte dem Bundespräsidenten im Bundestag vorgeworfen, er hofiere menschenverachtende Regime und bewerbe linksextremistische Konzerte. Einen derartigen Angriff auf das Staatsoberhaupt, der inhaltlich wenig gedeckt war, wollte der Innenminister nicht stehen lassen. Wäre er in dieser Situation Parteipolitiker geblieben, dann hätte die AfD keine Handhabe gehabt.

Man kann nur hoffen, dass die Amtsträger der tatsächlich staatstragenden Parteien aus diesem Urteil lernen: Sie können und müssen sich auch weiterhin als Parteipolitiker und als streitbare Demokraten äußern. Sie sollten diese Meinungsäußerungen aber von ihrem Amt trennen. Sie sollten sich nun keinesfalls Maulkörbe zulegen.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet Seehofer ein solches Urteil kassiert. In seiner Zeit als CSU-Chef hat er in der Auseinandersetzung mit Kanzlerin Angela Merkel um die Flüchtlingspolitik das Geschäft der Rechtspopulisten bedient. Seine klare Abgrenzung gegen die AfD erfolgte erst, als diese schon groß war.

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