Kommentar Drei Päpste als Zeugen

Vier Päpste beherrschen die Nachrichten. Dabei hat der jüngste von ihnen, Franziskus, etwas gemacht, was im alltäglichen Geschäft von Journalisten und PR-Beratern eigentlich als Kunstfehler gilt.

Er hat zwei Nachrichten auf einmal in die Welt gesetzt, die um Aufmerksamkeit konkurrieren: die Heiligsprechung seiner beiden großen Vorgänger Johannes XXIII. und Johannes Paul II. - und die Veröffentlichung seiner ersten Enzyklika und damit des ersten Lehrschreibens dieser Art, das gleich zwei Päpste als Verfasser hat (auch wenn Franziskus den Text selbstverständlich allein unterzeichnet hat).

Politiker und Unternehmer würden eine solche Gleichzeitigkeit niemals in Kauf nehmen. Sie sind es gewohnt, selbst Banalitäten wie die Vorstellung eines Wahlkampfteams auf möglichst viele Termine zu verteilen, um mehr Aufmerksamkeit zu schinden. Das hat ein Papst nicht nötig. Ganz im Gegenteil: Man darf annehmen, dass Franziskus die Gleichzeitigkeit bewusst angestrebt hat.

Sie ist Programm. Der Papst stellt sich demonstrativ in die Reihe seiner Vorgänger. Theologen haben gestern dargelegt, wie viel Benedikt und wie wenig Franziskus in der Enzyklika stecke. Sicher ist unübersehbar, dass der Text in großen Teilen von Joseph Ratzinger entworfen wurde.

Man denke an die Bandbreite der Zitate von Augustinus bis Nietzsche, von Dante bis Wittgenstein, an geradezu literarische Formulierungen wie die vom Menschen, der "in die tausend Augenblicke seiner Geschichte" zu zerfallen droht, oder an die notorische Warnung vor dem Relativismus unserer Zeit.

Es fehlt jeder ökumenische Akzent, im Gegenteil: Der Glaube verliert gemäß dieser Enzyklika sein Maß, wenn er außerhalb der Kirche stattfindet - "dieser Kirche", gemeint ist die mit Romano Guardini beschriebene katholische Kirche. Punkt. Nur: Auch das, was Franziskus nicht selbst geschrieben hat, hat er durch die Veröffentlichung als Enzyklika autorisiert.

Stattdessen hätte man Ratzingers Meditationen über den Glauben ja auch als dessen persönliches Werk veröffentlichen können. Franziskus aber, dessen anspruchsvolle Namenswahl von ebenso großem Selbstbewusstsein zeugt wie sein provozierend legeres Auftreten, hat sich in spektakulärer Form das Erbe seines Vorgängers zu eigen gemacht.

Dadurch und durch die Heiligsprechungen nimmt er an einem Tag gleich drei Päpste als Zeugen. Das ist eine einzigartige Demonstration päpstlicher Autorität so kurz nach Amtsantritt. Der Papst vom anderen Ende der Welt sucht in Rom Rückhalt und legt dabei größtmögliche Entschlossenheit an den Tag. Eine schlechte Nachricht beispielsweise für Vatikanbanker, die das Durchgreifen des Papstes ja schon erlebt haben. Aber auch für reformorientierte Kritiker, die sich an Jorge Mario Bergoglio die Zähne ausbeißen werden.

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