Kommentar zu Stefan Effenberg Ein Fürst in der Provinz

Vielleicht bereiten sie im Dom zu Paderborn ja jetzt die Kanzel vor für einen Besuch Stefan Effenbergs - als Prediger. Vor Jahren hatte er sich jedenfalls schon einmal als Gastgottesmann in der Kirche versucht.

Damals, Mitte der 1990er Jahre in Mönchengladbach, wusste er durchaus zu überzeugen als "Tiger" unter all den Schäfchen - und das bei seinem Erstlingswerk.

In Paderborn, beim dortigen Sportclub, hoffen sie nun ebenfalls auf die Startstärke Effenbergs. Besser gesagt: Die Macher um Boss Wilfried Finke sind überzeugt davon, dass sie mit dem früheren Nationalspieler einen Fußball-Prediger von Format in die Provinz gelockt haben. Es darf allerdings wenig verwundern, dass die Reaktionen auf Effenbergs Engagement beim Zweitligisten in der Fußballbevölkerung reflexartig ein anderes Empfinden hervorriefen: Verwunderung. Oder, noch bitterer für einen früheren Weltstar wie ihn: Belustigung.

In der öffentlichen Wahrnehmung ist er bekannt als bunter Vogel. Schlimmstenfalls: als Experte für Eskapaden, als Mann mit erhobenem Mittelfinger (WM 1994). Seine Außendarstellung trägt nicht gerade dazu bei, Vertrauen zu erwecken. Er, so wirkt es, reiht sich ein in die Liste der Ex-Helden auf Sinnsuche. Weggefährten wie Matthäus oder Basler dienen als warnende Beispiele: Ihre ersten Trainerstationen, irgendwo zwischen Vierter Liga und Nummer 46 der Welt, waren offenbar auch ihre letzten. Das ist die eine Seite.

Auf der anderen Seite bietet diese Zusammenarbeit eine Chance - für Club und Trainer. Sie kann Sinn ergeben. Mit seiner Strahlkraft kann der neue Provinzfürst die Aufmerksamkeit von den schwächelnden Spielern nehmen. Dem Club ist diese durch den Coup gewiss. Seine Akzeptanz bei den Profis ist dank seiner Autorität und Anführerqualitäten unermesslich. Effenberg selbst kann Erfahrungen als Trainer sammeln, sich empfehlen und präparieren für den Weg zurück auf die große Bühne - wie seine SC-Vorgänger Roger Schmidt und André Breitenreiter. Es ehrt ihn - oder treibt ihn die Not? -, dass er seine Ansprüche herunterschraubt und in die Provinz geht. Fragt sich nur, ob er sich schon nach den Busverbindungen im Ostwestfälischen erkundigt hat. Sein Führerschein ist ja gerade futsch.

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