Kommentar Ein Urteil und der Überschuss - Gesponserte Therapie

Deutschlands Ärzte und die Pharma-Industrie leben in einem eigenen Dunstkreis. Was in der restlichen Berufswelt selbstverständlich ist, gilt für diese Koalition, die manchmal hart am Rand der Legalität arbeitet, nicht.

Wenn ein Pharma-Konzern unter Einsatz erheblicher Prämienzahlungen einem Arzt nahelegt, bestimmte Medikamente gehäuft und das Konkurrenzprodukt gar nicht zu verschreiben, ist dies zunächst ein Vorgang, der das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patienten erheblich belastet. Der Kranke kann sich nicht mehr sicher sein, ob er von dem Mediziner das für den Kranken beste Medikament oder die Arznei erhält, für die die Pharma-Konzerne dem Arzt am meisten Geld zuschanzen.

Ob das juristisch den Tatbestand der Bestechlichkeit erfüllt, ist angesichts der moralischen Verwerflichkeit dieser Methode beinahe zweitrangig. Der Bundesgerichtshof hat der Kungelei auf Rücken der Kranken jetzt seinen höchstrichterlichen Segen gegeben. Begründung: Ärzte sind frei und handelten nicht als Beauftragte der gesetzlichen Krankenkassen. Der Mediziner darf also unbestechlichen Auges Krankheiten diagnostizieren und anschließend die reich gesponserte Therapie beginnen.

Eine Gesundheits- und Rechtspolitik, die etwas auf Gerechtigkeit hält, ist gehalten, politisch umgehend zu reagieren. Das heißt: Die entsprechenden Bestimmungen, auf der dieses haltlose Urteil fußt, zu korrigieren und den notwendigen Realitäten anzupassen. Dies geschieht im ureigensten Interesse der Ärzte selbst, die sich von einer solchen Grauzonen-Mauschelei fernhalten sollten.

Die Politik ist aber zunehmend in einem zweiten Bereich gefordert: Die Milliarden-Überschüsse, die die Krankenkassen in den letzten Jahren haben erwirtschaften können. Dass die Techniker-Krankenkasse den wachsenden Druck in dieser Frage dadurch kompensieren will, dass sie eine Teil-Ausschüttung der Rücklagen von knapp drei Milliardenprüfen lässt, ehrt sie. Das kann Vorbild-Funktion für die anderen gesetzlichen Kassen haben.

Die Schlüsselfrage lautet: Sollten die erheblichen Rücklagen auf die hohe Kante gelegt werden, um auf schlechte Zeiten vorbereitet zu sein und dann eine Zeit lang auf Gebührenanhebungen verzichten zu können? In der nächsten und wirtschaftlich komplizierten Zeit seien, so rechnen Experten vor, neue Beitragserhöhungen unvermeidlich. Das Überschuss-Problem sei nur eines auf Zeit.

Dies mag so sein. Aber richtig ist auch, dass ein guter Teil des Gewinns auf dem Rücken der Patienten und der Praxisgebühr von zehn Euro pro Quartal erzielt werden konnten. Und da Politik auch aus Symbolik besteht, ist es eine durchaus erwägenswerte Idee, die Erhebung der Praxisgebühr auszusetzen und die weitere Kostenentwicklung abzuwarten.

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