Kommentar zu den Corona-Maßnahmen Ein Virus zerlegt die EU
Es wird Zeit, dass das Chaos der unterschiedlichen Corona-Maßnahmen ein Ende hat. Offenkundige Widersprüche rauben ihnen nämlich ihre Glaubwürdigkeit.
Am Anfang der Coronavirus-Krise machte jeder EU-Mitgliedstaat, was er wollte. Noch während des Lockdowns versprachen sich die 27 Familienmitglieder, fortan alles untereinander abzustimmen – zumindest mit den Nachbarn. Inzwischen ist das längst vergessen. Nationale Sonderbestimmungen haben Hochkonjunktur, die sich nicht selten sogar widersprechen.
Als Brüssel von Berlin zum Risikogebiet erklärt wurde, musste die Bundesregierung das Land Nordrhein-Westfalen um Ausnahmen von der Quarantäne-Pflicht bitten, weil sonst auch EU-Kommissare und sogar Präsidentin Ursula von der Leyen nicht mehr zu Regierungsgesprächen in die deutsche Hauptstadt hätten reisen können. Wohlgemerkt: Es geht beim Tohuwabohu nicht um Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten, die plausibel und gerechtfertigt sein können. Aber das Chaos, das inzwischen auf dem Binnenmarkt angerichtet wurde, hilft nicht, weil es nicht mehr nachvollziehbar ist. Wenn in einem Fall ein negativer Test vor der Einreise vorliegen muss, im umgekehrten Fall aber erst nach dem Grenzübertritt, ist das für die Bürger nicht mehr verständlich. Dieses Durcheinander muss beendet werden.
Das ist nicht nur deswegen wichtig, damit trotz der Pandemie die Wirtschaft wieder ans Laufen kommt und der Gesundheitsschutz trotzdem erhalten bleibt. Offenkundige Widersprüche rauben den Maßnahmen ihre Glaubwürdigkeit. Die EU demontiert gerade den Schengen-Raum mit seinen offenen Grenzen selbst und lässt zu, dass die Reisefreizügigkeit wieder zurückgefahren wird – vielleicht nicht politisch, aber ganz sicher faktisch. Deshalb darf das heutige Treffen der Ländervertreter nur ein Anfang sein. Am baldigen Abschluss müssen klare Kriterien stehen, die transparent und plausibel sind und für alle gelten.