Kommentar Einstellung des Edathy-Verfahrens - Wahrheit in Raten

Sebastian Edathy hat also doch gestanden. Unter Druck. Dabei hatte der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete noch vor Wochenfrist auf dem Weg zum Landgericht Verden ironisch gefrotzelt, man möge doch bitte der Wahrheit, also ihm, eine Gasse bahnen.

Der Wahrheit? Wie so häufig brauchte es dafür auch im Falle Edathys die konkrete Drohkulisse einer Verurteilung vor Gericht, verbunden mit der Aussicht, Ansprüche aus seiner Zeit als Abgeordneter zu verlieren. Erst dann war Edathy bereit, diesen Teil der Wahrheit in einer Affäre preiszugeben, die für die SPD auch nach dieser Verfahrenseinstellung nicht ausgestanden ist.

Zwölf lange Monate gab Edathy, mit gelegentlichen Interviews im selbst gewählten Exil im Ausland, den Verfolgten. Zwölf Monate kein Wort des Bedauerns für entwürdigte Kinder. Dann war ihm binnen sieben Tagen ein Geständnis möglich, das ihm zumindest juristisch die Chance lässt, straffrei weiterzumachen.

Ja, er habe sich mit seinem Dienstlaptop kinderpornografische Videos und Bilder im Internet besorgt. Die Kette, die folgte, ist bekannt: Verdacht, Ermittlungen, Dementi ("nichts Unrechtes getan"), Parteiausschlussverfahren (liegt auf Eis), Zulassung der Anklage, Prozesseröffnung und nun das Geständnis, verbunden mit einer Einstellung des Verfahrens.

Das ist für Edathy ein Teilerfolg. Er verlässt damit das Gericht als juristisch unschuldig, was nichts mit seiner moralischen Schuld zu tun hat. Edathy ist kein Opfer, auch wenn er versucht hat, sich als solches einer Treibjagd der Medien zu stilisieren. Opfer sind jene Kinder, deren Körper und Seelen von Erwachsenen missbraucht und ausgebeutet werden, damit Kunden wie Edathy Bildmaterial zum Betrachten nackter Knaben zur Verfügung haben.

Leicht und heimlich im weiten Feld des ungeschützten Internets bestellt, wären da nicht Sicherungsprotokolle des Bundestages gewesen, mit denen die Staatsanwaltschaft belegen konnte, dass Edathy kinderpornografisches Material bekommen hat.

Edathy hat nach dieser Verfahrenseinstellung zwar als juristisch unschuldig zu gelten, ist aber in Deutschland erledigt. Das ist seine wahre Strafe. Seine politische Karriere ist beendet, seine politischen Perspektiven tendieren gegen Nnull, Freundes- und Bekanntenkreis hat er verloren. Nun wird auch noch die SPD in Niedersachsen das Parteiausschlussverfahren gegen ihn zu Ende bringen.

Ob aber auch der andere Teil der Wahrheit, ob und, falls ja, von wem Edathy über laufende Ermittlungen gegen ihn gewarnt wurde, jemals ermittelt werden kann, ist höchst ungewiss. Es steht Aussage gegen Aussage. Allerdings kann sich Edathy jetzt, da das Verfahren gegen ihn eingestellt ist, nicht mehr auf sein Auskunftsverweigerungsrecht vor dem Untersuchungsausschuss berufen. Die Wahrheit bräuchte hier noch einmal eine Gasse. Und wenn sie noch so eng wäre.

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