Kommentar Energiepolitik - Der Preis

Zum rhetorischen Arsenal der Bundeskanzlerin gehört der Hinweis, dass die ganze Welt darauf schaue, wie Deutschland die Energiewende hinbekomme. Da hat sie wohl Recht.

Erst wenn sich anhand des wichtigsten europäischen Industriestandorts belegen lässt, dass der Ausstieg aus der Kernenergie reibungslos zu bewerkstelligen ist, könnte er als Beispiel taugen.

Deutschland hätte dann einen grandiosen Erfolg errungen, denn hier ist das Kompetenzzentrum in Sachen erneuerbare Energien. Das markiert den hohen Einsatz, der beim schwarz-roten Schlüsselprojekt auf dem Spiel steht. Wahrscheinlicher ist aber ein Lehrstück, wie eine Großreform im Klein-Klein des Föderalismus zerredet und zerrieben wird: Der Norden kämpft gegen die Deckelung des Ausbaus der Windkraft, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg in seltener Übereinstimmung gegen eine zu starke Belastung der energieintensiven Industrie, Thüringen für die Biogas-Anlagen.

Und Bayerns Ministerpräsident Seehofer hat wendeerprobt entdeckt, dass eine der drei zentralen neuen Höchstspannungsleitungen nun doch nicht nötig sei.

Man kann das Stimmengewirr aus den Ländern beklagen, aber es ist legitim, wenn sie ihre Interessen einbringen, solange die Kompromissfähigkeit darunter nicht leidet. Nicht jedes Argument hat Gewicht, manches aber schon. Wenn die Schleswig-Holsteiner argumentieren, dass es eine im Ansatz wenig überzeugende Lösung ist, wenn Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel den Ausbau der Windkraft an Land deckeln will, haben sie Recht. Nicht nur, weil eine Deckelung ein urtümlich anmutendes, planwirtschaftliches Instrument ist, sondern auch, weil die Windkraft bei der Produktionskostenbilanz günstig abschneidet.

Gabriel braucht aber die Deckelung, um die EEG-Umlage - und damit die Stromkosten für den Verbraucher - im Zaum zu halten. Das ist eine typische Politiker-Reaktion: Es darf nicht teurer werden, sonst kocht der Volkszorn. Und das ist nicht gut. Dahinter steckt allerdings eine gewisse Geringschätzung der Bürger, die angeblich nur auf den Geldbeutel schauen.

Dabei wäre ihnen sehr wohl klarzumachen, dass das unerwartet schnelle Umsteuern einer großen Industrienation seinen Preis hat. Den zu zahlen wären die Bürger vielleicht sogar bereit - wenn es gerecht zugeht.

Geht es gerecht zu? Zweifel sind angebracht. Gabriel war angetreten, die Ausnahmeregelungen für die Industrie zu streichen, die dazu führen, dass die privaten Verbraucher mehr Umlage zahlen müssen. Da aber ist der Minister jetzt schon gescheitert. Auf Druck SPD-geführter Landesregierungen (NRW und Rheinland-Pfalz) hat er seine Absicht aufgegeben, Unternehmen, die ihren Strom selbst erzeugen, künftig an der EEG-Umlage zu beteiligen. Standfestigkeit sieht anders aus.

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