Kommentar Entwicklung in Nahost: Friedliche Offensive

In einer neuen Runde diplomatischer Initiativen versuchen die Palästinenser seit dem Herbst, international zu punkten, um ihrem lang ersehnten Ziel eines eigenen Staates näher zu kommen.

Es ist eine Großoffensive mit friedlichen Mitteln, die Israel so unter Druck setzen soll, dass es wieder an den Verhandlungstisch zurückkehrt.

Denn seit dem Abbruch der Nahost-Friedensgespräche im Frühjahr und dem Gaza-Krieg im Sommer liegen die Kontakte zwischen der israelischen Regierung und der Palästinenserbehörde von Mahmud Abbas praktisch auf Eis.

Besonders bei den Europäern feiert Abbas Erfolge: Als erstes westeuropäisches Land erkannte Schweden im Oktober Palästina offiziell als Staat an. An sich kein außergewöhnlicher Schritt. Die Palästinenser verweisen mit Stolz darauf, dass schon 135 Länder ihre Staatlichkeit anerkannt hätten. Praktische Folgen hatte das bisher nicht.

Aber nach den Schweden kamen die Parlamente Großbritanniens und Frankreichs, Irlands, Spaniens und Luxemburgs und riefen ihre Regierungen auf, es den Schweden gleichzutun. Mitte Dezember zog das EU-Parlament mit einer ähnlichen Resolution nach: Europas Volksvertreter wollen die Anerkennung Palästinas als Staat, setzen jedoch eine verhandelte Friedenslösung voraus.

Dazu kommen Abbas‘ Bemühungen, auch den UN-Sicherheitsrat für die palästinensische Sache einzuspannen, was umso schwieriger ist, weil dort die Veto-Macht USA traditionell auf israelische Interessen Rücksicht nimmt. Die Palästinenser forderten, binnen Jahresfrist einen Friedensvertrag zu schließen, der einen unabhängigen palästinensischen Staat an der Seite Israels vorsieht.

Die israelischen Truppen sollten die besetzten Gebiete demnach bis 2017 räumen. Dass diese Resolution im UN-Sicherheitsrat gescheitert ist, hatte Abbas mit einkalkuliert. Sein Trumpf: Er bekundet Gesprächsbereitschaft, die bei der israelischen Regierung nicht zu erkennen ist.

Für Abbas ist wichtiger, dass er überhaupt etwas tut. Unter den Palästinensern herrschen Frust und Verzweiflung, weil sie in eine hoffnungslose Zukunft blicken. Das hängt nicht nur mit der israelischen Besatzung zusammen, sondern auch mit der innerpalästinensischen Zerstrittenheit.

Der Machtkampf zwischen der gemäßigten Fatah und der radikal-islamischen Hamas, die Israel das Existenzrecht abstreitet, hat zu politischem Stillstand geführt. So haben seit Jahren die fälligen Wahlen nicht mehr stattgefunden. Keine guten Vorzeichen für einen künftigen Palästinenserstaat, der eigentlich demokratisch verfasst sein soll.

Den Kopf in den Sand zu stecken, wie es die israelische Rechte tut, verschlimmert die Probleme aber nur. Die Europäer, die mit ihrem Geld die palästinensische Verwaltung und Infrastruktur mitfinanzieren, signalisieren mit den Anerkennungsinitiativen, dass sie als Vermittler im Nahostkonflikt eine größere Rolle spielen wollen. Wunder sind davon nicht zu erwarten.

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