Erbschaftsteuer - Steuern mit Steuern

Es ist ein maßvolles Urteil, das das Bundesverfassungsgericht gestern zur Erbschaftssteuer gefällt hat. Am Grundsatz, dass der Erhalt von Betrieben und Arbeitsplätzen einen legitimen Grund für Steuererleichterungen darstellen kann, rütteln die Karlsruher Richter nicht.

Für den überwiegenden Teil der mehr als drei Millionen Unternehmen in Deutschland dürfte sich auch nach einer Gesetzesreform wenig ändern. Trotzdem ist das Urteil wieder einmal eine Rüge für den Gesetzgeber.

Es ist ja nicht das erste Mal, dass oberste deutsche Gerichte die Steuergesetzgebung als ungerecht beanstanden. 1995 erklärte Karlsruhe die damalige Vermögensteuer für verfassungswidrig, weil sie Immobilienvermögen bevorzugte. Vor vier Jahren verdonnerten die Verfassungsrichter den Fiskus dazu, die volle steuerliche Absetzbarkeit von Arbeitszimmern anzuerkennen, sofern Arbeitnehmern nachweislich kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht.

Demnächst wird das Bundesverfassungsgericht auch darüber entscheiden, ob die Grundsteuer verfassungsgemäß ist. Als rechtlich heikel gelten seit Jahren die Grunderwerbsteuer, weil sie ein Geschäft zwischen Privatleuten erfasst, sowie die fehlende steuerliche Absetzbarkeit von Erstausbildungs- und Studienkosten, obwohl sonst berufsbedingte Ausgaben etwa als Werbungskosten absetzbar sind.

Das deutsche Steuerrecht ist vor allem deshalb zu einem der kompliziertesten der Welt geworden, weil der Gesetzgeber hierzulande nicht nur die Einnahmen im Blick hat, sondern oft auch besonders stark auf eine Lenkungswirkung abhebt. Wenn dann gleichzeitig noch steuerliche Einzelfallgerechtigkeit walten soll, kommen die entsprechenden Gesetze dem Versuch der Quadratur eines Kreises recht nahe.

Zu den tickenden Zeitbomben im deutschen Steuerrecht zählt etwa die gegenüber anderen Vermögensarten bevorzugte Bewertung von Immobilienvermögen, an der schon die Vermögensteuer gescheitert war. Bei der Grundsteuer wird Immobilienbesitz nach 45 Jahre alten Einheitswerten und nicht nach aktuellen Marktwerten bemessen. Sollte Karlsruhe das für verfassungswidrig erachten und dann Marktwerte fordern, könnte auch die Debatte um eine Vermögensteuer neue Nahrung erhalten.

Bei der Erbschaftsteuer hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble schon deutlich gemacht, nur das ändern zu wollen, was Karlsruhe fordert. Doch wenn im deutschen Steuerrecht an einem Rad gedreht wird, drehen sich viele andere mit. Und die Erbschaftsteuer, unter Experten wegen der vielen Umgehungsmöglichkeiten auch "Dummensteuer" genannt, hätte eine grundlegende Reform nötig. Deutlich niedrigere Sätze bei deutlich weniger Ausnahmen könnten eine Lösung sein. Wahrscheinlicher ist etwas anderes: nämlich dass es nochmals komplizierter wird.

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