Kommentar zum Verhältnis zwischen Polen und der Union EU hinkt hinterher

Meinung | Warschau · Der Europäische Gerichtshof hat geurteilt: Die polnische Regierung muss ihr umstrittenes Gesetz zur Richterdisziplinierung aussetzen. Aber: Polen – und zuletzt auch Ungarn – höhlen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit immer weiter aus. Ohne weitreichende Folgen, kommentiert unser Autor.

 Bereits im Juli 2018 protestierten Menschen, wie hier in Krakau, gegen die Justizreform in Polen. Ohne Erfolg.

Bereits im Juli 2018 protestierten Menschen, wie hier in Krakau, gegen die Justizreform in Polen. Ohne Erfolg.

Foto: picture alliance/dpa/Omar Marques

Der Europäische Gerichtshof hat die rechtsnationale PiS-Regierung in Polen einmal mehr in die Schranken gewiesen. Sie müsse ihr hoch umstrittenes Gesetz zur Richterdisziplinierung aussetzen, urteilte der EuGH. Er gab damit der EU-Kommission recht, die eine einstweilige Verfügung beantragt hatte. So weit, so hoffnungsvoll. Die Lage in Warschau zeigt allerdings, dass die Luxemburger Richter und die Brüsseler Kommissare der Entwicklung weit hinterherhinken. Im Streit um die Präsidentenwahl hat die PiS in der Corona-Krise bereits eine neue Stufe auf dem Weg des Demokratieabbaus betreten. PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski will die Wahl trotz Ausgangssperren per Verfassungsbruch erzwingen, um seinem Kandidaten Andrzej Duda den Machterhalt zu sichern.

Hier geht es also nicht mehr um die Aushöhlung der Gewaltenteilung und um Angriffe auf eine unabhängige Justiz, sondern um einen direkten Zugriff auf die Macht im Staat. Das heißt im Umkehrschluss nicht, dass das EuGH-Urteil irrelevant wäre. Im Gegenteil: Es belegt einmal mehr die Dringlichkeit von Reaktionen auf EU-Ebene. Es darf für Mitgliedstaaten schlicht nicht länger möglich sein, die im Vertrag von Lissabon festgeschriebenen Grundwerte zu unterlaufen. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gehören zentral dazu.

Polen und auch Ungarn unter Ministerpräsident Viktor Orban sind in diesen Wochen der Corona-Krise dabei, dieses Fundament ihrer EU-Mitgliedschaft endgültig einzureißen. Sie setzen auf ein Modell, das sie Europa der Vaterländer nennen, frei nach der Devise: Geld aus Brüssel nehmen wir gern. Der Rest ist unsere Sache. Das Problem ist, dass die EU-Verträge kaum realisierbare Sanktionsmöglichkeiten vorsehen. Polen und Ungarn könnten zwar gegenwärtig niemals Mitglieder der EU werden. Aber rauswerfen kann sie niemand. An der Sanktionierbarkeit muss sich dringend etwas ändern. Sonst ist die EU bald das Papier nicht mehr wert, auf dem ihre Gründungsverträge stehen.

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