Kommentar EU, Russland und die Energie - Schub für Europa

Europa steht mit dem Rücken zur Wand. Ambitioniert hatte man sich zum Export seines Modells von Demokratie, Marktwirtschaft und politischer Werte nach Osten entschlossen, bestenfalls ahnend, dass man sich in eine Falle begeben würde.

Denn je näher man dem Einflussbereich Moskaus kam, umso größer musste das Risiko werden, zum Opfer der eigenen Abhängigkeit von Russlands gewaltigen Energiereserven zu werden. Jetzt ist es so weit: Die Angst vor einem Griff Putins zum Öl- oder Gas-Hahn beeinflusst die Bereitschaft, sich mit Wirtschaftssanktionen gegen seine Politik auf der Krim zur Wehr zu setzen.

Schon seit Jahren rechnet die Europäische Kommission den Mitgliedstaaten vor, dass mehr Entschlossenheit nötig ist, um sich aus der politischen Erpressbarkeit durch unsichere Lieferländer zu befreien. Doch während andere Staaten wie beispielsweise die USA ihre Autonomie zielstrebig verfolgten, verstrickte sich die EU-Familie in selbst gestellte Fallen und unüberwindbar scheinende Diskussionen um Trassen-Führungen samt jahrelangen Genehmigungsverfahren und Streitereien um den nationalen Energiemix der Mitgliedstaaten.

Deutschland erfand gar eine Energiewende, ohne zu wissen, wie man den Strom aus den regenerativen Wind- und Solarparks eigentlich verteilen soll. Nun stehen die Länder - jedes auf andere Weise - vor den bislang ungelösten Problemen: Die einen sollen horrende Nachrüstungen für umstrittene Atommeiler aufbringen.

Die anderen müssen zur Rettung ihrer Kohle auf unsere CO2-Entsorgungsverfahren setzen. Und wieder andere sitzen auf ihrer Sonnen-Energie und Wasserkraft, ohne diese über die Grenze schaffen zu können. Der Energie-Binnenmarkt wurde vor über zehn Jahren beschlossen. Was ist seither passiert?

Die EU erfährt nun hautnah, dass es an der Zeit ist, sich endlich von den Pipelines aus Sibirien zu befreien. Der russische Präsident mag bisher geglaubt haben, er könne im Zweifel mit der Hand am Gashahn widerspenstige europäische Regierungen zu willfährigen Vasallen machen. Doch die Rechnung wird nicht aufgehen.

Denn selbst bei bisher ausgeprägt eigensinnigen Familienmitgliedern wächst derzeit das Bewusstsein um den hohen Wert von Geschlossenheit. Die zunehmende Sorge um eine gesicherte Energiezukunft spielt dabei eine zentrale Rolle. Gerade weil diese nicht alleine sicherzustellen ist. Putins politisches Harakiri-Manöver wird so zu einem Katalysator, der dieser Gemeinschaft fast so etwas wie ein neues Gründungserlebnis beschert.

Um dieses Ziel zu erreichen, braucht die EU jetzt aber mehr als nur ein paar Floskeln in einem Gipfel-Dokument. Nötig ist eine Energie-Außenpolitik, die einen zügig umgesetzten Binnenmarkt für Strom und Gas ergänzt und anreichert.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Mey Dudin, Berlin,
zur islamistischen Bedrohung
Die Lage ist ernst
Kommentar zur islamistischen BedrohungDie Lage ist ernst
Euphorie im Anflug
DFB-Team überzeugt gegen Frankreich Euphorie im Anflug
Zum Thema
Fügen sich bislang klaglos in ihre
DFB-Team mit neuem Spirit
Kommentar zur Fußball-Nationalmannschaft DFB-Team mit neuem Spirit
Assange und das Recht
Kommentar zur aufgeschobenen Auslieferung Assange und das Recht
Der Kaiser ist nackt
Kommentar zu Donald Trump Der Kaiser ist nackt
Der Bahnstreik ist abgewendet
Kommentar zur Einigung zwischen GDL und Bahn Der Bahnstreik ist abgewendet
Aus dem Ressort