Kommentar Euro-Schuldenkrise und Wachstum - Zäh und langwierig

Steter Tropfen höhlt den Stein. Die SPD hat es geschafft. Ihr Mantra von der deutschen Sparkanzlerin, die Euro-Land in den Abgrund führe, weil sie alle Mitglieder der Währungsunion unter ihre Konsolidierungsherrschaft zwingt, hat sich in vielen Köpfen festgesetzt.

Aber wir haben ja die Sozialdemokratie, und wir haben den französischen Sozialisten François Hollande, der frisch im Amt schon nach Berlin reiste. Europas Rettung naht!

Allerdings werden Unwahrheiten durch ständige Wiederholung nicht wahrer. Unmittelbar vor Hollandes Besuch hat die SPD ihre Vorschläge für einen "Wachstums- und Investitionspakt" vorgestellt. Wer sich die Mühe macht, die Beschlüsse der letzten EU-Gipfel, die Pläne der EU-Kommission und die bereits umgesetzten Maßnahmen zur Bekämpfung der Euro-Schuldenkrise neben die SPD-Vorschläge zu legen, wird zu dem Schluss kommen: Alter Wein in neuen Schläuchen.

Das Kind in Andersens Märchen hätte am Dienstag der SPD-Troika zugerufen: "Aber der Kaiser ist nackt!" Denn auch Gabriel, Steinmeier und Steinbrück wollen keine neuen Schulden machen. Sie erkennen den Vorrang der Haushaltskonsolidierung an. Am EU-Fiskalpakt wollen sie gar nicht rütteln.

Dass sich die EU aber nicht kaputt sparen darf, dass sie den Kreditfluss für die Unternehmen in Gang halten muss, dass die bedrohliche Jugendarbeitslosigkeit in den südeuropäischen Ländern behoben werden muss - diese Erkenntnisse sind nicht erst der SPD aufgegangen, sie sind schon lange in Brüssel, in Berlin und den anderen europäischen Hauptstädten ein Thema.

Es stimmt, die Lösung der Euro-Schuldenkrise ist zäh und langwierig. Sie ist eine Mischung aus Erfolgen, Fehlschlägen und Wunschdenken. Beispiele: Die SPD fordert eine europäische Bankenaufsicht - die neue Behörde gibt es schon, sie hat auch schon erste Stresstests bei den Banken veranstaltet.

Die SPD will eine europäische Ratingagentur, sie übersieht aber, dass mehrere Versuche einer Gründung bereits im Sande verlaufen sind. Sie will die EU-Subventionen für die Landwirtschaft in Forschung und Entwicklung umlenken - erwähnt aber nicht, dass ihr französischer Parteifreund darüber kaum erfreut wäre.

Bleibt die Finanztransaktionssteuer. Für die SPD ist sie die Melkkuh, die alle Einnahmeprobleme lösen würde. In den Dimensionen, in denen uns die Schuldenkrise gelehrt hat zu denken, sind aber 57 Milliarden Euro für ganz Europa auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wenn sie denn zusammenkämen.

Soll heißen: Die Unterschiede der Lösungsansätze für die Krise in Europa sind geringer, als uns die Parteien glauben machen. Im politischen Wettstreit erzeugen sie viel Nebel und Dunst, um das dem Wähler zu verschleiern. Auch daher rührt der Politikerverdruss.

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