Chancen und Gefahren Europa - Die Stärke der EU

Europa hat sich in diesen Tagen verändert - und wurde zugleich entlarvt. Nicht die oft beschworene gemeinsame Außenpolitik war stark genug, um sich mit Macht den Parteien in diesem blutigen Konflikt entgegenzustellen, sondern es waren die deutsche Kanzlerin und der französische Staatspräsident.

Ohne den britischen Premier, ohne die polnische Führung, ohne Italiens Regierungschef, ohne den griechischen Newcomer. Und auch ohne einen EU-Vertreter der ersten Reihe. Merkel und Hollande warteten nicht auf ein Mandat der EU, sie traten als deutsch-französisches Gespann auf, dessen Gewicht reichte, um etwas zu bewegen.

Ob das, was Minsk II gebracht hat, reicht, wird man sehen. Aber vielleicht liegt der eigentliche politische Gewinn dieser Initiative noch an anderer Stelle: Merkel hat den amerikanischen Präsidenten gebändigt und dem russischen Präsidenten die Hand entgegengestreckt. In Brüssel sprach man offen von einer Hinwendung Europas zu Moskau, gar von einem Ende des Kalten Krieges, der seit dem Ausbruch der Krise geherrscht habe. Diese Bewertung mag überzogen klingen, aber sie verdeutlicht das strategische Gewicht dieses Durchbruchs, wenn es denn einer werden sollte. In jedem Fall hat Wladimir Putin so etwas wie eine zweite Chance bekommen, sich als verlässlicher politischer Partner zu bewähren.

Wer die Signale richtig versteht, wird wissen, dass Europa zu einer geopolitischen Kraft aufgestiegen ist, die man nutzen könnte - vorausgesetzt, es würde den Vertretern gelingen, die Krise im Inneren beizulegen. Der störrische neue Premier aus Athen hat die Union aufgemischt, hat sie in Unsicherheit und Unklarheit gestürzt, weil er den Partnern das Vertrauen dafür nahm, dass einmal getroffene Vereinbarungen auch nach einem Regierungswechsel ihre Gültigkeit haben.

Was Tsipras in den Tagen vor diesem Gipfel zersetzte, ist die Gewissheit, dass alle 28 Mitglieder an die größere Kraft der Gemeinschaft glauben und sich nicht auf Kosten anderer Mitglieder sanieren. Diesen Trend zum nationalen Egoismus gibt es natürlich immer wieder. Die Beispiele sind vielfältig. Aber sie gingen doch bisher nie so weit, dass die Abwendung von der EU (oder der Euro-Zone) und die Hinwendung zu anderen Sponsoren als machbarer Weg erschienen wären. Das ist bitter, denn die zentrale Botschaft lautet: Diese Union ist stark, wenn sie sich einig ist. Und sie hat Macht, wenn sie ihre Geschlossenheit nicht aufs Spiel setzt.

Allerdings haben die Ereignisse der vergangenen Tage sowohl in Minsk wie auch rund um das Thema Griechenland zugleich gezeigt, wie sehr die EU-Institutionen selbst regelrecht in eine Nebenrolle gedrängt wurden. Sie verwalten diese Union, aber sie haben kein Gewicht, in ihrem Namen zu agieren. Sie können Richtlinien und Verordnungen erlassen, aber keine politischen Durchbrüche initiieren.

Europa ist so stark, wie es von den großen Spielern gemacht wird: Deutschland und Frankreich. Das verpflichtet beide zu einer Führungsrolle, die es de facto nicht gibt. Ohne die das Räderwerk dieser EU aber nicht läuft. Die ewigen Nörgler sollten sich wirklich gut überlegen, ob sie ohne eine in dieser Hinsicht starke Gemeinschaft klarkommen können. Oder ob sie nicht sicherer, wohlhabender und friedlicher in den Armen dieser EU aufgehoben sind.

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