Kommentar Europa in der Krise - Fatale Entwicklung

Etwas geht verloren in Deutschland und Europa. Die Menschen und auch Politiker werden europamüde - und das in einer äußerst schwierigen Zeit, in der wir Europäer uns beistehen sollten. Das ist eine fatale und zerstörerische Entwicklung.

Zu Recht warnt Italiens Regierungschef Mario Monti: "Die Spannungen, die in den letzten Jahren die Euro-Zone begleiten, tragen bereits die Züge einer psychologischen Auflösung Europas."

Seit mehr als zwei Jahren müssen die Menschen mit der Schulden- und Vertrauenskrise fertig werden. Die Politiker haben es nicht geschafft, die Turbulenzen einzudämmen. Im Gegenteil: Immer mehr Länder geraten in Schwierigkeiten. Bereits fünf der 17 Euro-Staaten brauchen europäische Notkredite: Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Zypern. Spekulationen kochen hoch, wer die nächsten Wackelkandidaten sind. Italien? Slowenien?

Viele Bürger haben genug vom gefühlt ewigen Krisengerede. Das kann ihnen niemand verdenken. Schließlich ist die Krise, die die europäische Idee in ihren Grundfesten erschüttert, unglaublich vielschichtig und kompliziert. Trotzdem ist diese Entwicklung verheerend.

Das Denken in nationalen Grenzen erstarkt - der Rückzug in Bekanntes, vermeintlich Sicheres. Das lässt falsche Klischees von den "faulen Griechen" oder den "stolzen Spaniern" aufblühen, nicht nur an Stammtischen, sondern auch in Politik und Medien. Mit den Klischees erstarkt die Unwilligkeit, solidarisch zu sein mit all denen, denen es jenseits unserer Landesgrenzen nicht so gut geht.

Mit denen, die sich mühen, trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten einigermaßen gut über die Runden zu kommen. Und mit denen, die bereit sind, etwas zu ändern. Zugleich erlahmt die Europa-Begeisterung.

Damit droht in wenigen Jahren etwas Großes kaputt zu gehen, an dem viele Politiker in vielen Ländern seit Jahrzehnten, seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs arbeiten: die Idee eines Europas mit dem Motto "In Vielfalt geeint". Die Idee eines friedlichen Europas, das in den vergangenen Jahrhunderten Schauplatz so vieler Kriege war. Und die Idee eines geeinten und dadurch starken Europas, dass in der heutigen globalisierten Welt im globalen Handel mithalten und mitreden kann.

Doch solche Gedanken drängt die Schulden-, Vertrauens- und Euro-Krise in den Hintergrund - leider auch bei vielen Politikern. Sie denken meist nur bis zur nächsten Wahl. Ist die Stimmung in Deutschland eher europaskeptisch, dann geben sich Politiker auch europaskeptisch. Stimmenfang, leicht gemacht. Dabei wäre es gerade angesichts der Krise wichtig, laut und gründlich darüber nachzudenken, was uns das europäische Zusammenrücken und der Euro bisher gebracht haben. Und wie wir uns Europa wünschen. Schließlich geht es um unsere Zukunft.

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