Kommentar zu Kardinal Pell Fahrlässig

Meinung | Rom · Im Fall des australischen Kardinals George Pell, der sich wegen Missbrauchsvorwürfen vor einem Gericht in Australien verantworten muss, hätte Papst Franziskus auf die Bedenkenträger hören sollen. Nun muss er sich Vorwürfe gefallen lassen.

Papst Franziskus ist ein Jesuit. Typischerweise holen Jesuiten von verschiedener Seite Rat ein und entscheiden dann manchmal durchaus autoritär. Beim Papst aus Argentinien ist diese Entscheidungsfindung besonders ausgeprägt. Im Fall des australischen Kardinals George Pell, der sich nun wegen Missbrauchsvorwürfen vor einem Gericht in Australien verantworten muss, hätte Franziskus lieber auf die Bedenkenträger hören sollen.

Über Pell sind in Rom seit Jahren Gerüchte im Umlauf, er habe sich in seiner Zeit in Australien schweres Fehlverhalten zuschulden kommen lassen. Benedikt XVI. verzichtete einst unter anderem wegen dieser Vorwürfe darauf, den ehrgeizigen Australier zum Chef der Bischofskongregation im Vatikan zu machen.

Auch Franziskus muss von diesen Vorwürfen gewusst haben. Pells Rolle als Außenseiter in der Kurie und seine Fähigkeiten als Manager haben den Ausschlag für die Nominierung des Kardinals für einen der wichtigsten Jobs im Vatikan gegeben.

Franziskus muss sich nun vorwerfen lassen, beim Thema Missbrauch fahrlässig gehandelt zu haben. Pell ist noch lange nicht verurteilt, die Unschuldsvermutung gilt für ihn wie für jeden Angeklagten. Aber Papst Franziskus ist kein einfacher Regierungschef, er beansprucht höchste moralische Autorität und verspricht einen kompromisslosen Kampf gegen Missbrauch in der Kirche. Ein enger Mitarbeiter, der wegen derartiger Vorwürfe vor Gericht steht und dessen zumindest zweifelhaftes Verhalten seit Jahren bekannt ist, fällt auch auf ihn zurück.

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