Kommentar FDP: Auf der Langstrecke

Vor der verlorenen Bundestagswahl war die FDP einer der Lieblingsprügelknaben der Medien. Wie wenige andere Parteien zogen die Liberalen bisweilen hasserfüllten Spott auf sich. Darüber haben sich liberale Politiker oft beschwert.

Mancher Liberale denkt vielleicht wehmütig an diese Zeit, denn viel schlimmer ist es für eine Partei, wenn sich niemand mehr interessiert. Im schnelllebigen politischen Geschäft ist das die Höchststrafe. Verschärfend kommt hinzu, dass die FDP auch auf der parlamentarischen Bühne isoliert erscheint. Bei Koalitionsmodellen spielten sie kaum mehr eine Rolle.

Anderthalb Jahre nach der verlorenen Bundestagswahl ist die FDP unter ihrem Vorsitzenden Christian Lindner mit ihrem Projekt Neubeginn kaum vorangekommen. Sie hat immerhin ihre Basis mobilisiert - dort wo es eine gibt - und ist bemüht, sich von unten zu erneuern. Programmatisch sieht es eher düster aus. Die Versuche, einen Liberalismus wiederzubeleben, den selbst gestandene Freie Demokraten nicht so recht zu beschreiben wissen, müssen scheitern. Die großen politischen Lehren sind Vergangenheit, sie haben keine Anziehungskraft mehr. Das mag die zwei bis vier Prozent Zustimmung sichern, die die Partei derzeit in den Umfragen erreicht.

Die FDP hat immer dann gepunktet, wenn es ihr gelang, Themen anders zu besetzen als die großen Volksparteien oder die Grünen. Die waren oft kurzatmig, schnell gefunden und genauso schnell wieder vergessen. Dabei hat sie sich auch vor Ausflügen in den Populismus nicht gescheut. Dieser Weg scheint der Partei versperrt zu sein, seit sie sich politisch konsequent hinter die Eurorettung gestellt hat. Das hat der AfD, die derzeit das leicht mobilisierbare bürgerliche Protestpotenzial bindet, den Raum zum Wachsen gegeben.

In der Partei macht sich Ratlosigkeit breit. Man denkt über einen neuen Namen nach, diskutiert über die Parteifarben. Die Partei positioniert junge und hübsche Frauen in der ersten Reihe von Landesverbänden und auf Wahlplakaten. Doch letztlich sind das alles nur hilflose Versuche, die Mauer des kollektiven Desinteresses zu durchbrechen. Dass ein selbstbewusster Politiker vom Schlage Wolfgang Kubickis sich artig bei der Kanzlerin bedankt, weil die gesagt hatte, ihr Wunsch-Koalitionspartner sei doch eigentlich die FDP, zeigt die Dimension der Krise. Alleine wird die FDP es nicht schaffen, und da ist Merkels Äußerung ein Hoffnungszeichen.

Doch schnell wird es nicht gehen. Entscheidend ist, wie viel Zeit die FDP ihrem Vorsitzenden gibt. Im Februar wählt Hamburg eine neue Bürgerschaft, im Mai Bremen. Sollte es Niederlagen geben, womit zu rechnen ist, dann könnte es für Lindner eng werden. Klug wäre ein neuerlicher Richtungswechsel indes nicht. Es waren die kurzen Sprints, die die FDP ruiniert haben. Lindners Distanz ist die lange Strecke.

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