Kommentar Flüchtlingspolitik - Wasser auf die Mühlen

Die Republik ist in Aufregung. Erst strömten 2015 über eine Million Flüchtlinge nach Deutschland. Und die Unionsparteien streiten auch zu Beginn des neuen Jahres munter weiter über Kontingente und Obergrenzen - und über Wege, die Schutzsuchenden in Deutschland zu integrieren beziehungsweise sie dazu zu verpflichten.

Und dann die Silvesternacht in Köln, wo es massenhaft Übergriffe mutmaßlich nordafrikanischer Männer gegen Frauen gab. Eine Folge des Flüchtlingszustroms? Auch wenn die Versuchung groß ist, den Grund für die widerwärtigen Belästigungen von Köln in der hohen Zahl der Flüchtlinge zu suchen, dürfen doch nicht alle Neuankömmlinge über einen Kamm geschoren werden.

Trotzdem muss klar sein: Wer in dem Land, das ihm zum Schutz seines Lebens Aufenthalt gewährt, Straftaten begeht, hat sein Gastrecht verwirkt. Der Rechtsstaat muss mit aller Konsequenz antworten. Die Täter müssen ermittelt und ohne Ansehen ihrer Herkunft bestraft werden. Es gelten die Gesetze und Regeln der Mehrheitsgesellschaft. Dazu zählt unter anderem die Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern. Wer hier bleiben will, sollte dies schnell lernen. Sonst bleibt Integration eine Vokabel ohne Inhalt.

Für Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre zunächst lange offene Flüchtlingspolitik ist die innenpolitische Lage nach den Vorfällen von Köln und auch Hamburg nicht leichter geworden. Doch Vorverurteilungen helfen nicht. Erst muss zweifelsfrei ermittelt sein, welchen Hintergrund die Täter haben. Alles andere wäre Populismus. CSU-Chef Horst Seehofer hat die CDU-Vorsitzende gezielt mit einer konkreten Obergrenze konfrontiert.

200.000 Flüchtlinge stehen als Zahl im Raum, an der sich Merkel orientieren soll. Doch die CDU-Chefin hat der CSU weder bei deren Parteitag noch beim CDU-Parteitag in Karlsruhe noch jetzt bei ihrem Treffen in Wildbad Kreuth den Gefallen getan und die Vokabel "Obergrenze" aktiv geführt. Die Kanzlerin verweigert sich in diesem Punkt der Schwesterpartei, weil sie davon überzeugt ist, dass der Flüchtlingszustrom nur europäisch und unter besonderer Einbeziehung der Türkei als wichtiges Transitland gelöst werden kann - und nicht national.

Seehofer denkt regionaler. Er will die absolute Mehrheit der CSU absichern und orientiert sich dazu gerne an einem Gast der CSU-Klausur: am britischen Premierminister David Cameron, der seine absolute Mehrheit auch mit der Ankündigung errungen hat, Sozialleistungen für EU-Bürger in Großbritannien einzuschränken. Wer betrügt, der fliegt? So hart wie 2014 will es die CSU nicht mehr ausdrücken. Doch Integration soll nach Vorstellung der Christsozialen mit einem Bekenntnis zur hiesigen Rechtsordnung und zum friedlichen Zusammenleben verbunden sein. Dazu sind Vorfälle wie in Köln Wasser auf die Mühlen der CSU.

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