Kommentar Frankreich feiert Nationalfeiertag - Trübe Aussichten

Paris · Wenn die Franzosen in diesen Tagen in die langen Sommerferien aufbrechen, sind die letzten Eindrücke des politischen Treibens, die sie mitnehmen, essenziell. Denn über sie wird bei den ausgedehnten Familienessen debattiert: Eine Tatsache, der sich François Hollande sehr bewusst sei, schreibt die Wirtschaftszeitung "Les Echos", und daher einer der Gründe, warum sich der Präsident beim Nationalfeiertag an diesem Sonntag per TV-Interview an seine Landsleute richtet.

Einmal mehr wird er versuchen, sie davon zu überzeugen, dass er das Zeug dazu hat, das Land wirtschaftlich aufzurichten. Seine Beliebtheitswerte sind auf einen Tiefstand von 30 Prozent gesunken. Bevor der Sommer Frankreich lähmt, muss Hollande ein Zeichen setzen.

Zwei Journalisten werden ihn live im Elysée-Palast befragen - ein Bruch seines Wahlversprechens, nicht von seinem Amtssitz aus zu den Franzosen zu sprechen, bemängeln konservative Medien. Doch Hollande wählt das prachtvolle Dekor bewusst. Er bekräftigt damit seine Rolle als Staatsmann. Hatte Vorgänger Nicolas Sarkozy auf diese Tradition verzichtet, um mit alten Gebräuchen der Republik zu brechen, so will Hollande in erster Linie mit Sarkozy brechen.

Dieser droht ihm gefährlich zu werden, da er seinen Appetit nicht länger versteckt, 2017 den Élysée-Palast erneut zu erobern. War Hollande dank einer massiven Ablehnung Sarkozys überhaupt erst gewählt worden, so überflügelt ihn sein Vorgänger, der wenigstens Dynamik ausstrahlt, längst wieder in Umfragen.

Während sich die Franzosen, zutiefst unzufrieden, stets einen Mann an der Spitze wünschen, der gerade nicht dort ist, erlebt lediglich die Rechtspopulistin Marine Le Pen einen konstanten Höhenflug, weil sie sich als "Anti-System-Politikerin" stilisiert und lautstark Opposition gegen alles übt.

Ein gutes Jahr nach seinem Amtsantritt hat Hollande enttäuscht. Frankreich wird seinen Nationalfeiertag mit trüber Laune begehen. Massive Steuererhöhungen, Pläne einer Rentenreform und miese Wirtschaftsaussichten machen Sorgen: Seit Ende 2012 ist Frankreich in die Rezession gerutscht. Die Arbeitslosigkeit dürfte bis Jahresende elf Prozent erreichen und das Ziel wird verfehlt, das Defizit unter drei Prozent der Wirtschaftsleistung zu drücken.

Hollande wird vom linken Flügel seiner Partei für einen Sparkurs kritisiert, der der konservativen Opposition nicht weit genug geht. Dass er Ex-Umweltministerin Delphine Batho kurzerhand rausschmiss, als sie sich gegen Kürzungen in ihrem Ressort auflehnte, verärgerte den grünen Partner. Das Gesetz zur Homo-Ehe hat das Land tief gespalten. Während sich Frankreich in den Urlaub aufmacht, visiert Hollande ein Ziel an, das unerreichbar scheint: Den Franzosen Zuversicht zu geben, sie zu motivieren, ihnen Vertrauen einzuflößen.

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