Kommentar Frankreichs Intervention in Mali - Kriegsherr wider Willen

Der Präsident, der sich im Wahlkampf als Friedenshüter präsentiert, den vorzeitigen Abzug französischer Truppen aus Afghanistan eingeleitet und versprochen hat, gleichberechtigte Beziehungen zu den ehemaligen afrikanischen Kolonialstaaten einzuführen, hat überraschend einen Militäreinsatz Frankreichs in Mali beschlossen.

Angesichts der sich zuspitzenden Gefahr, dass der große westafrikanische Staat völlig unter die Kontrolle terroristischer Islamisten gerät und die ganze Region destabilisiert, handelte François Hollande in einer Geschwindigkeit, die an seinen Vorgänger Nicolas Sarkozy erinnert, der die internationale Gemeinschaft 2011 mit einem Alleingang zum Kampfeinsatz gegen den libyschen Ex-Machthaber Muammar al-Gaddafi zwang. Sarkozy kann seinem Nachfolger nicht länger vorwerfen, ein mutloser Zauderer zu sein, wie er es angesichts des ungelösten Konfliktes in Syrien getan hat.

Hollandes Vorgehen entspricht der Tradition seines Landes, das wiederholt eine internationale politische und militärische Vorreiterrolle einnehmen wollte und sich in Westafrika trotz der Beteuerung, die einstigen Kolonialgebiete auf Augenhöhe zu betrachten und als Partner zu behandeln, in einer besonderen Verantwortung sieht - unter dem Risiko, die unsauberen Verbindungen und Abhängigkeiten der "Françafrique" verdeckt fortzuführen. Möglicherweise hat Hollande durch sein beherztes Eingreifen eine Eskalation oder gar eine Machtübernahme der malischen Rebellen zunächst verhindert.

Beim weiteren Vorgehen wird er wie Sarkozy in Libyen auf internationale Hilfe angewiesen sein und zwingt die westlichen und afrikanischen Partner zum Handeln, um den Konflikt zu lösen, der eine ganze Region bedroht. Auf dem Spiel stehen nicht nur die Leben der französischen Geiseln, sondern Frankreich riskiert, noch stärker ins Visier islamistischer Terrorgruppen zu geraten.

Sollte sich die Auseinandersetzung zu einem langwierigen und verlustreichen Krieg entwickeln, wird sich die Stimmung auch gegen Hollande richten, der in Frankreich momentan parteiübergreifend Zustimmung für seine Entscheidung erhält. Für Hollande, der sich momentan zwischen den notwendigen Arbeitsmarktreformen und der erbitterten Kritik an seinem Projekt der Homo-Ehe aufreibt, öffnet sich so eine neue Front, bei der er viel zu verlieren, aber wenig zu gewinnen hat.

Er ist Kriegsherr wider Willen: Anders als Sarkozy scheint er nicht vom Ehrgeiz angetrieben zu sein, Politik für die Geschichtsbücher zu machen. Dennoch bietet sich ihm jetzt die unverhoffte Chance, erstmals in den Augen vieler Franzosen die Statur eines Staatsmannes zu erhalten, der schnell und entschlossen weitreichende Entscheidungen treffen kann. Den Beweis war er ihnen bislang schuldig geblieben.

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