Kommentar Freihandelsabkommen TTIP und Ceta: Die gerade Banane

Nürnberger Rostbratwürste aus Oklahoma, Schwäbische Maultaschen aus Chicago, Spreewaldgurken aus Atlanta oder Kölsch aus Dallas? Na, wie finden wir das?

Die Markenkopierer freuen sich, die Markeninhaber wehren sich und die Konsumenten sind in diesen vier Fällen hoffentlich nicht so geschmacksfrei, dass sie den Unterschied nicht erkennen würden. Echte Qualität lügt nicht, ein geborgtes Label mitunter schon.

Es lebe der Freihandel! Nach dieser groben Linie verhandeln die Sherpas auf beiden Seiten des Atlantiks im Namen ihrer Staats- und Regierungschefs seit Jahren über das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) zwischen den USA und der EU. Die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen Ceta zwischen der Europäischen Union und Kanada gelten seit dem vergangenen Jahr offiziell zwar als beendet, aber der Vertrag ist noch nicht in Kraft.

Dass mit beiden Abkommen die gerade, ungekrümmte Banane auf den europäischen Markt drängt, ist ebenso unwahrscheinlich wie die Hoffnung, dass sich mit den Abkommen über den freien Handel an unseren Lebensmitteln und Essen, an unseren Autos und unseren Düngemitteln überhaupt nichts ändern würde. TTIP und Ceta werden die Bedingungen für die Produktion von Waren und Gütern beeinflussen wie sie auch ihre Absatzmöglichkeiten spürbar vergrößern sollen. Mehr Markt, mehr Marktteilnehmer, mehr Nachfrage, mehr Konsum, mehr Umsatz und auch mehr Jobs, so die gemeinsame transatlantische Hoffnung. Nur was ist mit vertrauten Standards, mit Verbraucherschutz und der Gewissheit, tatsächlich saubere Lebensmittel zu bekommen und nicht nur ein Etikett, das die erhoffte Sicherheit lediglich verheißt?

Die gestern angelaufene Grüne Woche, die weltweit größte Verbraucher- und Ernährungsmesse, bietet Rundumblick und Schlaglicht auf einen durch und durch globalisierten Markt. Wer nicht in Griechenland oder Portugal bestellt, kauft nebenan in Südkorea oder Marokko. Hier ist die Welt tatsächlich ein globales Dorf.

Will das vergleichsweise kleine Europa im Wettbewerb mit Welt- und Großmächten oder aufstrebenden Schwellenstaaten bestehen, werden dies die 28-EU-Mitgliedsstaaten nur gemeinsam schaffen. Je früher sie den Handel auch im Sinne ihrer 380 Millionen Bürger und Verbraucher vertraglich absichern, umso besser. Lieber jetzt steuern, als am Ende gesteuert zu werden, weil man die Kontrolle über den Welthandel längst anderen überlassen hat. Großmächte wie China oder Russland, deren Wirtschaften boomen (auch wenn Russland von EU-Sanktionen erkennbar getroffen ist), werden gerne den Platz übernehmen, den Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien oder Spanien preisgeben. Nicht dass sie die Banane am Ende doch noch gerade biegen.

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