Kommentar Gehälteraffäre in Bayern - Verfilzt

Die Verlockung ist groß, für manchen zu groß: Man verfügt über ein Budget, das es für eine Tätigkeit oder ein Projekt zu verteilen gibt. Man sucht auf kleinem Dienstweg mit sehr eingeschränkter Transparenz eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter und findet - die Ehefrau! Familienförderung der klüngeligen Art.

Wahlweise kann man/frau natürlich die Schwester einstellen oder die Kinder, selbstverständlich auch, wenn diese noch minderjährig sind. Voraussetzung sind ein verfilztes Umfeld, wenig Aufsicht, fehlendes Unrechtsbewusstsein: Womit wir aktuell in Bayern und vor allem bei der CSU wären. Das sonstige Vorzeigeland hat derzeit keinen guten Lauf. Den Uli Hoeneß hat's erwischt, und das Oberlandesgericht (OLG) München schreitet bei der Vorbereitung des NSU-Prozesses von Peinlichkeit zu Peinlichkeit. Wenigstens auf den FC Bayern ist Verlass.

Denn neben Hoeneß und dem OLG steht seit Tagen auch die CSU im Blickpunkt - und macht dabei keine gute Figur. Richtig, von der Gehälteraffäre sind auch Oppositionsparteien betroffen. Richtig, die bayerische SPD muss ebenfalls vor der eigenen Tür kehren. Und richtig, zumindest die Altfälle sind juristisch nicht zu beanstanden. Aber ansonsten? Mindestens fünf Mitglieder aus dem Regierungsteam von Ministerpräsident Horst Seehofer sind betroffen. Hier zeigt sich, fernab von juristischen Finessen, eine Geisteshaltung, die erschaudern lässt.

[kein Linktext vorhanden]Was hat er bewirkt, jener Aufräum- und Erneuerungsprozess, den Parteichef Seehofer vor fünf Jahren begann? Seehofer hat seine Partei mit Blick auf die Wahl in diesem September inhaltlich verbogen, hat mehr als einmal den Adenauer-Satz "Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?" vorgelebt.

Die Christsozialen schaffen die einst zäh verteidigten Studiengebühren ab, zeigen sich bei der Atomwende auf Unionslinie, werfen ihren Einsatz für den Erhalt der Wehrpflicht über Bord. Das Wort von der "Sozialdemokratisierung" der CSU macht mehr als einmal die Runde. So manchen CSU-Wähler erschreckt das, aber mit Blick auf die bayerische Wählermitte sind viele Mittel recht. Zumal dieses Vorgehen SPD-Herausforderer Christian Ude das Wasser abgräbt und der CSU realistische Chancen auf die absolute Mehrheit bringt. Oder brachte?

Denn die Gehälteraffäre ist ein Rückschlag für die Partei und ihren Vorsitzenden. Sie erinnert an Zeiten eines Franz Josef Strauß oder Max Streibl, an Amigo-Affären. Deshalb greift Seehofer auch so rigoros durch, deshalb lässt er Parteifreunde und Amtsinhaber innerhalb kürzester Zeit fallen. Deshalb hat die neue Fraktionschefin Barbara Stamm blitzschnell reagiert. Das war richtig. Dennoch bleibt - erneut - mehr als ein Geschmäckle. Und ab morgen können wir dann wieder über den Filz in Griechenland, Italien und Zypern schimpfen.

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