Kommentar Geheimdienste - Vertrauensbruch
Eine Dunkelziffer ist eine Dunkelziffer. Man kennt sie nicht. Schätzungen ja, Vermutungen auch, aber eben nichts Greifbares. Spionagefall eins wird vergangenen Freitag öffentlich.
Der Generalbundesanwalt ermittelt gegen einen BND-Mitarbeiter, der deutsches Regierungshandeln für einen US-Geheimdienst ausgeforscht haben soll. Spionagefall zwei wird am Mittwoch bekannt. Der Generalbundesanwalt ermittelt gegen einen Mitarbeiter des Bundesverteidigungsministeriums, angeblich einen Militär, den auch der Militärische Abschirmdienst (MAD) im Visier gehabt haben soll. Auch hier der Verdacht: Spionage für einen US-Geheimdienst. Vermutlich sind da noch mehr Spionagefälle deutscher Staatsbürger für die USA. Aber das gehört zur Dunkelziffer.
Vergessen wir einfach mal das Wort Freunde, auch wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel, deren Handy die National Security Agency (NSA) über Jahre angezapft hatte, in einer ersten Reaktion darauf gesagt hatte: Abhören unter Freunde, das geht gar nicht! Doch Freunde spionieren einander nicht aus. Staaten tun das, weil sie Interessen verfolgen, auch gegenüber Staaten, mit denen sie Bündnisbeziehungen pflegen.
Die USA haben eine rote Linie im Verhältnis zu Deutschland überschritten. US-Geheimdienste und die Regierungen, die sie gewähren ließen, haben das deutsch-amerikanische Verhältnis nachhaltig beschädigt, ja, auch erschüttert. Es ist an der Zeit, dass deutsche Regierungsvertreter ihre diplomatische Unterwürfigkeit gegenüber den USA aufgeben.
Wenn es nicht so aussichtslos wäre, müsste man Bundesinnenminister Thomas de Maizière für seine Idee der Gegenspionage zurufen: Nur zu! Doch die Wahrscheinlichkeit, dass sich die deutschen Geheimdienste dabei nicht nur verheben, sondern auch gründlich blamieren, ist groß.
Die frühere Außenministerin Hillary Clinton, die eventuell Präsidentschaftskandidatin der US-Demokraten werden will, hat dieser Tage bei ihrem Deutschlandbesuch nonchalant gesagt, dass sich befreundete Dienste gegenseitig "überall auf der Welt" ausspionierten sei quasi normal. Als wäre das Sammeln brisanter Information so banal wie das Sammeln von Briefmarken.
Das sagt viel über die Einstellung in den USA zur Arbeit der Geheimdienste aus. Sammelt, was Ihr kriegen könnt! Ein No-spy-Abkommen, das die gegenseitige Spionage zumindest beschränken würde, werden die USA auch mit Deutschland nicht unterzeichnen. Aber ein mehr Respekt könnten die USA einem wichtigen Partner schon entgegenbringen. Wenn die Gegenspionage schon nicht klappt, dann hilft vielleicht eine kleine Schocktherapie: einige US-Geheimdienstler ausweisen und Edward Snowden als Zeuge nach Deutschland holen, schon wäre erstmal Ruhe im Karton. Wetten, dass...