Kommentar zur Klimadebatte Gespaltene Republik

Die Bundesregierung hat am Freitag ein Klimapaket beschlossen. Die Reaktionen darauf zeigen die sich zunehmend spaltende Gesellschaft in Deutschland, kommentiert GA-Korrespondent Gregor Mayntz.

 Schüler halten Plakate mit der Aufschrift "Denial is not a policy" und "Wake up" während eines Protestes.

Schüler halten Plakate mit der Aufschrift "Denial is not a policy" und "Wake up" während eines Protestes.

Foto: dpa/Lynne Sladky

In Hamburg wird am Rande der Klimaschutzproteste ein SUV-Fahrer beschimpft, belacht und an den Pranger gestellt. Die Verächtlichmachung einer Person stellen die klatschenden Zuschauer dann auch noch ins Internet. Es ist nur ein Beleg für eine sich zunehmend spaltende Gesellschaft in Deutschland. Das zeigen die Reaktionen auf das am Freitag beschlossene Klimapaket der Bundesregierung und die von mehr als einer Million Teilnehmern besuchten Fridays-for-Future-Demonstrationen vom Wochenende.

Greta Thunberg hat den Begriff "Streik" genutzt. Er war schon in Bezug auf das regelmäßige Schwänzen des Unterrichtes nicht treffend. Nun gab es selbst das kaum noch, weil viele Klassen mit Billigung der Schule auf die Straße gingen. Auch viele Unternehmen und auch kleinere Büros forderten ihre Mitarbeiter auf, an den Protesten teilzunehmen. "Streik" sieht anders aus.

Es ist eine Stimmung von Wut und eskalierenden Forderungen, in denen die Grundlagen der Demokratie unter die Räder zu kommen drohen. Diese bestehen etwa in der Verantwortung fürs Ganze und im Suchen nach Kompromissen. Man kann mit Fug und Recht das Klimapaket der Regierung als desaströses Ausmaß an Mutlosigkeit bezeichnen, man kann jedoch genauso gut auch die Trendwenden in dem Konzept herausarbeiten. Wenn mit großem Furor nur noch das eigene Konzept als das einzige proklamiert wird, das den Weltuntergang verhindern kann, und deswegen halt eben auch mal das politische System geändert werden müsse, um es diktieren zu können, bleibt die Demokratie auf der Strecke. Die Reaktionen der Gegner sind nicht minder überzogen, wenn sie nur wegen der Demonstrationen schon einen Ökofaschismus sehen.

Dabei ist die Demokratie die Staatsform, die im Vergleich zu sozialistischen Regimen das Klima besser schützt und auf die Wünsche ihrer Bürger reagiert. Die sahen vor der Bundestagswahl 2013 den Klima- und Umweltschutz als vernachlässigbare Größe und setzten den Klimaschutz vor der Wahl 2017 ebenfalls noch weit in den Hintergrund - auf Platz acht der wichtigsten Probleme, weit hinter Migration, Rente und Bildung.

Der Regierung jetzt vorzuwerfen, sich nicht an den Wünschen der Menschen auszurichten, zeugt von großer Vergesslichkeit der eigenen Einschätzungen. Möglicherweise soll das gute Gefühl überwiegen, dass andere verantwortlich sind und man selbst sich nicht zu ändern braucht. Aber freitags auf die Klimaschutzdemo und samstags in den Urlaubsflieger oder aufs Kreuzfahrtschiff - da bleibt, auch im alltäglichen Umgang mit CO2 - viel Luft nach oben für 80 Millionen individuelle Klimaschutzpakete.

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