Kommentar Gesprächen mit dem syrischen Herrscher: Das Problem Assad

Die Vorstellung kommt einem außenpolitischen Tabubruch gleich. Jahrelang haben alle verantwortlichen Gremien der EU, aber auch der USA den syrischen Machthaber verdammt, geächtet und von allen Verhandlungen auf Augenhöhe ausgeschlossen. Nun also die Kehrtwende?

Es wird nicht so weit kommen, dass der Diktator eines Tages am runden Tisch neben der Bundeskanzlerin und den Staatsoberhäuptern der USA, Russlands, des Iran, der Türkei und anderer Platz nimmt. Aber tatsächlich braucht der Westen, wenn er den Krieg beenden will, Assad. Denn der ist gleichsam nur das zweitrangige Problem. Der eigentliche Gegner heißt "Islamischer Staat". Die Terror-Milizen, die sich bislang sogar der Duldung Ankaras und anderer Nachbarstaaten erfreuen konnten, weil diese Länder eigene Interessen haben, müssen endlich gestoppt werden. Begrenzte Luftschläge, wie die internationale Koalition sie derzeit ausführt, sind Nadelstiche, die zu wenig bewirken. Dass der russische Präsident Militäreinheiten nach Syrien verlegte, hat nur diesen Sinn: Putin benutzt Assad, um den Extremisten entgegen zu treten. Genauso wie der Westen den Machthaber braucht, um die Ursachen der Fluchtwelle zu bekämpfen.

Die EU darf dabei nicht ihre Grundsätze an der Garderobe der künftigen Tagungshotels abgeben. Aber sie wird über ihren Schatten springen müssen, um ihre politischen Ziele zu erreichen. Und die moralischen Ansprüche durchzusetzen: Denn die, die heute aus Syrien vertrieben werden, sind die Flüchtlinge, die morgen an Europas Türen klopfen.

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