Kommentar Gewalt in Frankfurt - Trennschärfe

Bonn · Es gibt ein paar unverhandelbare Grundlagen des demokratischen Gemeinwesens. Eine besagt, dass politische Streitthemen nicht mit Gewalt ausgetragen werden. Dass es im linken politischen Spektrum Gruppen gibt, die gerne auch mal zulangen, ist keine neue Erkenntnis.

Es gibt dort nach wie vor Strategen, die sich wie selbst ermächtigte Generäle im revolutionären Bürgerkrieg gerieren. Es gibt auch immer die Fußtruppen, die sich mobilisieren lassen. Was sich gestern in Frankfurt abspielte, hat seine Blaupausen in den gewalttätigen Startbahn-West- oder Antiatom-Demonstrationen der späten Siebziger und frühen Achtziger Jahre. Das macht sie nicht akzeptabler. Politische Gewalt ist zunächst ein Fall für die Justiz und dann für eine gesellschaftliche Aufarbeitung.

Hier ist einiges zu tun. Denn beunruhigend ist der nonchalante Umgang mit dem Thema Gewalt bei einer Reihe von Bündnispartnern von Blockupy. Dort sind zum Beispiel Gewerkschaften vertreten. Die Partei Die Linke ist dabei; sie wird seit 25 Jahren nicht müde, ihre rechtstaatliche Seriosität zu betonen. Auch die Grüne Parteijugend mischt mit. Wie stellen sie sich nach dem Gewaltausbruch zu den Vorgängen? Es geht ja nicht um die Verfehlung Einzelner, sondern um ein offenbar gut vorbereitetes, ambitioniert geplantes, brutales Vorgehen gegen Feuerwehrleute oder Polizisten.

Haben die Politikprofis in den genannten Gruppen das nicht mitbekommen? Dann sind sie ein wenig zu naiv für die Politik. Oder wollten sie das nicht sehen, weil es doch um die Kritik am Kapitalismus und die gerechte Gesellschaft ging? Besonders erbärmlich ist es, wenn anschließend auch noch Verständnis geäußert wird, so als handle es sich um den überschäumenden Idealismus einer leicht fehlgeleiteten Jugend. Es gibt keine Rechtfertigung für diese Gewalt, seien die Ziele auch noch so hehr.

In den vergangenen Monaten ist viel über den Rechtsterrorismus gesprochen worden. Nach den NSU-Morden war diese Debatte überfällig. Dass es auch auf der linken Seite des Spektrums ein radikales und gewaltbereites Potenzial gibt, ist dabei offenbar ein wenig aus dem Blick geraten. Das ist nicht nur ein Problem des Verfassungsschutzes oder der Polizei. Die war gestern offenbar durchaus vorbereitet. Hier ist die ganze Gesellschaft gefordert. Sie muss ihr Verhältnis zu jenen Gruppierungen klären, die vordergründig Gewalt ablehnen, ihr aber gleichzeitig Vorschub leisten.

Sie muss klären, ob es Gemeinsamkeiten mit Radikalen geben kann, wenn es mal wieder gegen Naziaufmärsche, Pegida oder um mehr Gerechtigkeit geht. Das wird für viele schwierige Debatten in Kirchengemeinden, Attac-Zirkeln und Gewerkschaftsbüros sorgen. Das ist gut so, denn es beginnt vielleicht ein Klärungsprozess. Trennschärfe gegen die Radikalen von Rechts und von Links hat noch jeder Demokratie gutgetan.