Kommentar Gipfeltreffen der EU - Eine Frage der Wirkung

Europa tut sich schwer mit seiner Zukunft. Während die Spitzen der Union nicht müde werden, die Notwendigkeit zum stärkeren Zusammenwachsen zu betonen, zementieren sie auf Gipfeltreffen wie diesen die Kluft zwischen den armen und reichen Ländern. Und das auf eine fast schon beschämende Weise.

Da erfindet man die direkte Rekapitalisierung maroder Banken durch den ESM als Heilmittel, verspricht auch schnelle Rettung, sobald die europäische Bankenaufsicht installiert ist, und lässt sich anschließend viel Zeit mit der Vorbereitung, Ausarbeitung und Einrichtung. Während Spanien dringend auf die versprochenen Milliarden wartet und in Italien eine Traditionsbank nach der anderen herabgestuft wird, braucht Brüssel nunmehr schon zwei Gipfeltreffen, um den erhofften Mechanismus in Gang zu setzen.

Ein entschlossener Kampf gegen die Krise und ein ebenso entschiedenes Ringen um eine wettbewerbsfähige Wirtschaft sehen anders aus. Da darf es niemanden wundern, wenn böse Vorwürfe zu hören sind, die die Zurückhaltung mit bevorstehenden Wahlen begründen. Oder wenn Mutmaßungen laut werden, dass das ganze Gerede von europäischer Solidarität eben doch nur halbherzig gemeint war.

Die EU ist zweifellos weitergekommen. Wer die Bilanz über das vergangene halbe Jahr hinaus ausdehnt, muss feststellen, dass sich die Staats- und Regierungschefs sogar fast schon unglaublich weit bewegt haben. Aber die Gemeinschaft muss sich nicht nur an der Frage messen lassen, wie viele Schritte sie bereits zurückgelegt hat, sondern wie groß deren Wirkung ist. Dies lässt sich nicht nur an ausgezahlten Milliardenhilfen oder Zinssätzen für Staatsanleihen ablesen, sondern an der Lebenswirklichkeit der Menschen, die unter der Schuldenkrise leiden. Und da fällt das Fazit eben immer noch dramatisch schlecht, ja fast schon niederschmetternd aus.

Zu den Unbegreiflichkeiten der europäischen Gipfel-Diplomatie gehört deshalb auch die Tatsache, dass sich noch vor vier Monaten Gipfelneuling François Hollande mit der Forderung nach einem Wachstumspaket als Ausgleich zum Fiskalpakt zu profilieren versuchte, der auch beschlossen wurde, aber seither unbenutzt blieb. Da wird von notwendigen Milliarden-Summen für die Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit gesprochen, aber niemand ruft das bereitgestellte Geld ab.

Die Gipfel-Karawane ist, so scheint es, weiter gezogen und hat mit dem Stichtag für die Bankenaufsicht ein neues Thema zur Profilierung entdeckt. Das hinterlässt ein beklemmendes Gefühl. Zumal man mit Forderungen nach einem Super-Kommissar oder einem eigenen Euro-Zonen-Budget einmal mehr den Eindruck einer Nabelschau hinterlässt, die von der Realität ablenken soll, damit niemand genauer hinsieht.

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