Kommentar zu den Bauern Glaubenskampf

Meinung | Berlin · Die Düngeverordnung setzt den Bauern zu. Wissenschaftler halten einige der Vorwürfe für berechtigt. Bauern und Konsumenten müssen umdenken, kommentiert Jan Drebes.

 Innerhalb weniger Wochen sind Tausende Bauern auf die Straße gegangen, um gegen strengere Umweltauflagen und für mehr Akzeptanz zu demonstrieren.

Innerhalb weniger Wochen sind Tausende Bauern auf die Straße gegangen, um gegen strengere Umweltauflagen und für mehr Akzeptanz zu demonstrieren.

Foto: Benjamin Westhoff

Mit einigem Abstand betrachtet erscheint der Streit zwischen Landwirten, Politik und Verbrauchern hinreichend absurd. Denn im Ziel sind sich alle einig: Die Umwelt soll nicht zugrunde gehen, deutsche Landwirte sollen ihre Höfe künftig nicht ausschließlich für Touristen öffnen müssen, sondern sollen dort (auch) Lebensmittel produzieren und die Verbraucher wollen Produkte aus der Region auch ohne das Gehalt eines Managers bezahlen können. Doch der Weg dorthin ist lang. Und der Streit ist emotional bereits so aufgeladen, dass er sich zu einem Stadt-Land-Konflikt auszuwachsen droht. „Städter“ hätten keine Ahnung, wie ein Bauernhof funktioniert, unter welchem Druck Landwirte von heute stehen würden, schimpfen die Bauern schon seit Monaten. Und viele Konsumenten ärgern sich über Lebensmittel- und Umweltskandale, überdüngte Böden, Insektensterben und den massenhaften Einsatz von Pflanzengiften wie Glyphosat. Sie halten die Bauern für die Schuldigen, die – gemäß eines alten Vorurteils – sowieso nie zufrieden seien.

In dieser Gemengelage ist es enorm schwierig, vernünftige Agrarpolitik zu betreiben. Doch dieses Problem jeder Landwirtschaftsministerin und jedes Landwirtschaftsministers ist hausgemacht. Denn zu lange ließen Bundes- und Landesregierungen eingeübte Arbeitsprozesse in der Landwirtschaft zu – wohlwissend oder zumindest ahnend, dass diese irgendwann die natürlichen Grenzen ganzer Ökosysteme sprengen würden. An diesem Punkt sind wir nach wissenschaftlichen Erkenntnissen jetzt angelangt. Wenn die Nitratbelastung so hoch ist, dass Wasserwerke kaum noch nachkommen bei der Reinigung, läuft etwas gewaltig schief. Den Rückgang der Insekten zweifelt niemand mehr an, es gibt zu wenig Waldbienen. Die Politik und die Landwirte selbst sind sehr spät aufgewacht, die Konsumenten verschlossen lange die Augen. Jetzt muss alles schnell gehen und der Frust ist auf allen Seiten groß.

Dabei sind geeignete Dialogveranstaltungen und ein verbales Abrüsten die einzigen Gegenmittel, die daran kurzfristig etwas ändern können. Es hilft so gut wie nichts, wenn die Bauern bei einem mit viel Tamtam veranstalteten Agrargipfel der Kanzlerin ihre Sorgen und Nöte vortragen dürfen. Politiker, der Handel, die Landwirte und Einwohner aus Dörfern und Städten gehören an einen Tisch, möglichst niederschwellig, ohne Promi-Faktor. Wenn Menschen in einer Großstadt wissen, was im Umland für Betriebe existieren und welche Produkte von dort stammen, ist schon viel gewonnen. Bauern und Konsumenten müssen umdenken, die Politik muss bei Umweltauflagen härter bleiben und gleichzeitig die finanzielle Unterstützung für Landwirte umbauen. Denn im Ziel sind sich ja alle einig.

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