Kommentar Glaubwürdig

Brüssel · Als Bundespräsident Gauck, Außenminister Steinmeier und Verteidigungsministerin von der Leyen im Winter eine aktivere deutsche Außenpolitik ("früher, entschiedener, substanzieller") ausriefen, rätselten viele, was das konkret bedeuten solle.

Hierzulande verengte sich die Diskussion auf die Frage nach Militäreinsätzen. Seinerzeit war noch nicht absehbar, wie rasch und massiv die Zeitläufte die Notwendigkeit mit sich bringen würden, die Ankündigungen durch Taten zu konkretisieren. Es geht dabei um viel mehr als um die Fortsetzung der Politik mit den Mitteln der Bundeswehr.

Beim jüngsten Sonder-Treffen mussten sich die EU-Außenminister mit einer ganzen Serie alarmierender Situationen befassen: Russland/Ukraine, Syrien/Irak, Israel/Gaza, Libyen, Westafrika/Ebola - "eine solche Vielzahl gefährlicher Krisenlagen hatten wir selten", bekannte Steinmeier. Der Bundesaußenminister und die deutsche Diplomatie spielen dabei eine gewichtigere Rolle, als der Blick auf die hektische Debatte um das Teil-Thema "Rüstungs-Exporte" vermuten ließe.

Bei dieser geht einiges durcheinander - Resultat des vergeblichen Versuchs, vertrackte Probleme einer aktuellen Krise mittels prinzipieller Überlegungen zu lösen. Sollen die Kurden im Norden des Irak mit tauglicherem Kriegsgerät versorgt werden, um den blutrünstigen Kämpfern des "Islamischen Staates" Paroli bieten zu können? Die geltenden Export-Richtlinien liefern dazu keine Antwort, sondern nur die Frage in anderer Form: Ausfuhren in Spannungsgebiete sollen grundsätzlich unterbleiben, es sei denn, nationale Sicherheitsinteressen gebieten etwas anderes. Da fragt sich halt, ob wir es hier mit "Es sei denn" zu tun haben.

Rüstungs-Exportpolitik und Waffenhilfe sind verschiedene Dinge. Beide betreffen militärisches Gerät, aber der leitende Gesichtspunkt ist jeweils ein anderer. Beim Rüstungsexport geht es um die Regulierung eines Geschäfts: Was darf die Wirtschaft an wen verkaufen? Bei der Waffenhilfe um ein politisch-militärisches Ziel: Sind Waffen für die Kurden ein geeignetes Mittel, den Vormarsch von IS zu stoppen? Es ist kein Zeichen von Schwäche, sondern entspricht der gebotenen Sorgfalt, wenn Steinmeier erst einmal Klarheit schaffen möchte, mit welchem Gerät die Kurden überhaupt etwas anfangen können.

Beim großen Brandherd Ukraine/Russland hat die deutsche Diplomatie gezeigt, dass Engagement nicht in erster Linie eine Frage der militärischen Einsatzbereitschaft ist. Klar, die stellt sich auch - die Nato wird in Kürze auf ihrem Gipfel in Wales definieren, wie wehrhaft sie gegenüber dem Nicht-mehr-Partner Russland auftreten soll.

Aber gerade weil die deutsche Außenpolitik aus ihrer Ernüchterung über Putin keinen Hehl gemacht hat, konnte und kann sie ein effektiver und glaubwürdiger Krisenmanager sein - nicht als Mittler, wohl aber als westlich-europäische Führungskraft. Auch das Zusammenspiel mit den Franzosen funktioniert auf diesem Feld besser - "früher, entschiedener, substanzieller" - als in anderen Politik-Bereichen.

Unklar bleibt, wie das aktivere Engagement Berlins mit einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik verbunden werden kann. Die geplante Ernennung eines/einer neuen Außenbeauftragten der EU Ende des Monats wird dafür Signal und Weichenstellung sein.

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