Kommentar zum Weltfrauentag Gleiche Rechte
Meinung | Berlin · Im vergangenen Jahrzehnt ist die gesellschaftliche Akzeptanz für ausschließlich männlich besetzte Gremien, deutlich gesunken. Doch Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen durchzusetzen, bleibt ein mühsames Geschäft, kommentiert unsere Autorin zum Weltfrauentag.
Wie gut es um eine Demokratie bestellt ist, lässt sich auch daran ablesen, wie gut eine Gesellschaft mit ihren Frauen umgeht, wie weit die Gleichberechtigung von und die gleiche Achtung vor Männern und Frauen gediehen ist. Um dies zu belegen, muss man noch nicht einmal nach Saudi-Arabien schauen, wo Unfreiheit der Bevölkerung und Unterdrückung der Frauen als offensichtliches Paar zusammenkommen.
Man kann auch vor der eigenen Tür kehren. Mit dem Anstieg von Hetze im Netz, die sich oft genug gegen die Demokratie, ihre Institutionen und ihre Vertreter aus Parteien und Regierung richtet, gehen verbale Ausfälle gegen Frauen einher. Sie werden oft genug nicht nur wegen ihrer demokratischen Positionen angegriffen, sondern auch als Frauen mit sexualisierter Gewalt bedroht.
In Ländern, in denen sich Rechtspopulismus breit macht, ist vielfach eine Wiederkehr des Chauvinismus zu beobachten – politischer und gesellschaftlicher Art. Offensichtliches Beispiel für diesen Trend ist US-Präsident Donald Trump, der über männliche wie weibliche politische Gegner in verächtlicher Weise spricht. Bei seinen Gegnerinnen aber prangert er nicht nur ihre vermeintliche Dummheit und Untauglichkeit an, er würdigt sie auch wegen ihres Geschlechts herab.
Wie die Demokratie im Allgemeinen sind die Frauenrechte im Besonderen ein kostbares Gut, das der Wehrhaftigkeit bedarf. Im Jahr 2020 ist in Deutschland unglaublich viel erreicht, was sich zu verteidigen lohnt. Frauen leben selbstbestimmt und können Kinder und Karriere miteinander vereinbaren. Frauen haben ihre eigenen Netzwerke. Ach ja, und die Männer habe sich auch geändert, fordern Elternzeit und Teilzeit von ihren Chefinnen, Männlichkeit und Wickeltisch sind kein Gegensatz mehr, immer mehr Männer setzen sich für Gleichberechtigung ein. Frauen können jede Position erlangen – gleichwohl, es gelingt noch nicht oft genug. Und oft genug werden sie im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen nicht angemessen bezahlt.
Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen durchzusetzen, bleibt also ein mühsames Geschäft. Wie flüchtig der Fortschritt zudem sein kann, zeigt die aktuelle Zusammensetzung des Bundestags. Der Frauenanteil liegt bei nur 31 Prozent. Im Vorgänger-Parlament saßen 36,3 Prozent Frauen. Mehr als ein Jahrhundert nach Einführung des Frauenwahlrechts ist das eine magere Ausbeute.
Im vergangenen Jahrzehnt ist die gesellschaftliche Akzeptanz für ausschließlich männlich besetzte Gremien, Podien und Vorstände deutlich gesunken. Immer mehr Parteien geben sich paritätisch besetzte Doppelspitzen.
Die Union ist mit ihren Turbulenzen um die neue Parteiführung in Sachen Frauen in die Defensive geraten. Bald 15 Jahre hat Angela Merkel dafür gesorgt, dass niemand fragen musste: Wo sitzen Eure einflussreiche Frauen? Eine ganze Generation ist in der Gewissheit aufgewachsen, dass in Deutschland die Macht weiblich ist. Nun kann man unter dem Aspekt Gleichberechtigung nicht darüber klagen, wenn nach vier Wahlperioden einer Kanzlerin und zwei CDU-Chefinnen wieder ein Mann nach der Macht in Partei und Staat greift. Ernüchternd ist aber, dass im Kampf um Merkels Erbe keine Frau mehr im Rennen ist und alle drei Kandidaten bislang noch nicht einmal weibliche Verbündete als sichtbaren Teil ihres Teams präsentieren konnten oder wollten. Gleiche Rechte müssen eben immer wieder gefordert, gewährt und gelebt werden. Sonst verkümmern sie.