Kommentar Griechenland: Mutlos

Krise ist das Sprungbrett für den Sprung nach vorn. Das ist die alte Bauernregel des europäischen Fortschritts, auf die viele Freunde der Einigung, Finanzminister Wolfgang Schäuble vorweg, auch beim großen Finanz-Beben gebaut haben.

Man wünschte, sie hätten Recht, aber die jüngsten Entwicklungen lassen Zweifel aufkommen. Und zwar nicht nur, weil die Griechenland-Krise weiter ungelöst ist, sondern auch weil der Mut zum Sprung den Verantwortlichen offenbar immer mehr abhanden kommt.

Was sich auf der Schluss-Etappe zu einem - immer noch möglichen, aber keineswegs gewährleisteten - Griechenland-Deal abspielt, kann man kaum noch als geregeltes Verfahren oder als raffiniertes Spiel mit verteilten Rollen bezeichnen. Beratungsstau - da geht es zu wie im Brüsseler Berufsverkehr, wenn alle gleichzeitig auf die Kreuzung fahren. Dabei haben die vorgesehenen Abläufe und Spielregeln gute sachliche Gründe. Leider aber auch nur begrenzte Bindewirkung.

Trotzdem setzt die EU auch beim nötigen Ausbau der Wirtschafts- und Währungsunion vorrangig auf das halb taugliche Instrument. Das jetzt vorgelegte Konzept der fünf Präsidenten (Europäischer Rat, Kommission, Parlament, Eurogruppe, Zentralbank) versucht ein weiteres Mal, die nötige Gemeinsamkeit durch ein Regelkorsett zu ersetzen. Die Absicht ist ehrenwert, die Probleme mit einer "immer engeren Union" sind nicht eingebildet. Aber Zusammenhalt, das ist die Lehre aus der Krise, lässt sich nicht allein durch außen angelegte Klammern erzwingen, er muss auch im Inneren, politisch, gewollt sein.

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