Kommentar Griechenland vor der Entscheidung - Keine Wahl

Der 17. Juni war in Deutschland lange Jahre ein Gedenktag, der Tag der Einheit. Diese Einheit gab es nicht, sie sollte erreicht werden, der Tag sollte dazu mahnen. Wenn die Griechen am morgigen Sonntag ihr neues Parlament wählen, wird auch dies kein Tag der Einheit werden.

Weniger, weil das Volk in verschiedene Lager gespalten wäre, sondern weil das ganze Land zum geeinten Europa der EU und des Euro in einen immer stärkeren Gegensatz gerutscht ist. Das hat eine Vielzahl von Gründen, angefangen beim Betrug, der zu Beginn der Euro-Mitgliedschaft Athens stand, fortgesetzt in einer nicht enden wollenden Spirale von Vetternwirtschaft, Subventionsmentalität und Disziplinlosigkeit bei den Ausgaben.

Die harten Auflagen der Euro-Partner haben ein Übriges dazu beigetragen, die Griechen den Europäern zu entfremden. Die etablierten großen Parteien haben das Vertrauen der Bürger verloren, linke, zum Teil radikale Parteien werden nach allen Erwartungen als Sieger aus der Wahl hervorgehen.

Doch auch sie haben keine Wahl: Sie sind dazu verurteilt, ihr Heil trotz allem im Euro zu suchen. Trotz aller Sparauflagen. Denn ein Austritt des Landes aus der Eurozone wäre desaströs. Für die heimische Wirtschaft, für die Aussichten, irgendwann wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Ein Austritt aber wäre auch desaströs für die Eurozone selbst.

Sie würde nämlich die Gefahr dramatisch verstärken, dass auch wirtschaftlich viel wichtigere Staaten wie Spanien, Italien oder auch Portugal in noch größeres Trudeln gerieten - ähnlich einem Wollfaden, der einen ganzen Pullover sich aufwickeln lässt.

Es ist also mitnichten so, dass ein Austritt nur für die Griechen ein Problem wäre. Das ist ja auch der tiefere Grund, weshalb bisherige Gegner von Wachstumspaketen, wie etwa die Bundeskanzlerin, beginnen umzudenken. Äußerlich angestoßen durch den politischen Linksruck in Frankreich, tatsächlich aber durch den Druck der Verhältnisse. Es kann kein Ziel sein, Euro-Mitglieder kaputtzusparen, so viele Fehler sie auch gemacht haben mögen. Wer Jugendarbeitslosigkeitsquoten von 50 Prozent und mehr sein Eigen nennt, kann durch Sparen nicht wieder auf die Füße kommen. Und in Deutschland gäbe es längst Massendemonstrationen ohne Ende, wenn eine Regierung auch nur annähernd die Sparauflagen durchsetzen wollte, wie es Athen derzeit versucht.

Es muss also - erst recht nach diesem Wahlsonntag - umgesteuert werden in der EU und in der Eurozone. Da trifft es sich gut, dass schon in zwei Wochen ein EU-Gipfel auf der Tagesordnung steht. Wer den Zerfall in Nationalstaaten alter Prägung, wer den Rückbau der EU nicht will, der kann deshalb nur für die Vertiefung der Union plädieren: mit mehr Kontrolle und mit mehr Demokratie. Herkules muss sich an die Arbeit machen.

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