Kommentar Großprojekte in Deutschland - Direkt ins Herz

Sotschi ist nicht Berchtesgaden. Katar ist nicht Traunstein. Aber eine Pleite ist eine Pleite. Die Befürworter, potenziellen Organisatoren und möglichen Profiteure einer Münchner Olympia-Bewerbung haben eine bittere Lektion gelernt. Volksentscheide können gnadenlos sein.

Das Ergebnis, das viele Olympia-Fans in München und im Rest der Republik konsterniert zur Kenntnis nehmen müssen: Es wird bei den Winterspielen 2022 kein Olympia dahoam geben. Das befragte Volk hat es so gewollt - per Volksentscheid.

Das ist der Unterschied zwischen Sotschi oder Katar und dem Bewerberverbund München, Garmisch-Partenkirchen, Berchtesgaden und Traunstein. In Sotschi, erst recht in Katar, dem Ausrichter des Weltspektakels Fußball-WM 2022, wird das Volk erst gar nicht gefragt. In Sotschi spielen Natur- und Umweltschutz keine Rolle, weil Russlands Präsident Wladimir Putin seine Spiele zu jedem Preis will. In Katar werden die Rechte ausländischer Billigstlöhner mit Füßen getreten, auch wenn Deutschlands Fußball-Ikone Franz Beckenbauer naiv-zynisch festgestellt hat, er habe bei seiner Katar-Visite keine Sklaven in Ketten gesehen.

Womöglich liefert die Münchner Olympia-Bewerberpleite einen Vorgeschmack auf Zustimmungsverfahren für künftige Großereignisse in Deutschland. Bei den laufenden Koalitionsgesprächen in Berlin verhandeln Union und SPD auch über Bürgerbeteiligung an solchen Mega-Projekten. Die SPD will Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide auch auf Bundesebene einführen, die CSU ist halbwegs aufgeschlossen, die CDU deutlich reservierter. Eine Demokratie hat Durchlässigkeit, Transparenz, Widerspruch und Debatte als Merkmale.

Volksentscheide wären und sind ein weiteres Element. Auch wenn einem das Ergebnis nicht gefällt. In Sotschi wird Olympia in absolutistischer Manier durchgezogen, in Katar die Fußball-WM ohne Rücksicht auf Verluste. Man könnte es auch Diktat von Öl und Geld nennen. Volksentscheide können genau dies verhindern. Sie wären ein Votum gegen Macht, Cliquen und Vetternwirtschaft.

Die Lehren aus den letzten Pleiten bei Großprojekten wie Elbharmonie und Berliner Flughafen oder dem Volksaufstand gegen Stuttgart 21 zeigen, dass die Zeiten einsamer Entscheidungen in Polit- und Verwaltungszirkel vorbei sind.

Das Aus für das erhoffte Olympische Wintermärchen 2022 in München bedeutet noch lange nicht das Ende aller Träume. Selbstverständlich kann man Olympische Spiele nach Deutschland holen, so wie es Bundesfranzler Beckenbauer mit der Fußball-WM 2006 gelungen ist. Ein Sommer-Märchen - das kann sich eines Tages mit Olympia in Berlin oder Hamburg wiederholen. Eine Bewerbung braucht Unterstützung, vor allem die des Volkes. Damit es ein Volksfest werden kann.

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