Kommentar zur großen Koalition Halbzeit

Es ist Halbzeit in der "GroKo". Vor zwei Jahren haben sich CDU, CSU und SPD zusammengetan, weil sie "Deutschlands Zukunft gestalten" wollten, so die Überschrift über dem gemeinsamen Koalitionsvertrag.

Zukunft gestalten und nicht nur Gegenwart verwalten muss der Anspruch jeder verantwortlich handelnden Regierung sein, insofern haben die Partner auf Zeit keine allzu wolkige Überschrift für ihre Zusammenarbeit gewählt. Ein Arbeitstitel eben. Große Koalition bedeutet große Mehrheit.

Sie bedeutet aber auch deswegen: Große Verantwortung, weil eine solche sichere Mehrheit gegen eine weitgehend machtlose Opposition den Spielraum gibt, bedeutende Vorhaben gegen den Reformstau voranzubringen oder große Herausforderungen zu bewältigen. Große Koalitionen sind gemacht für Krisenzeiten. Und 2015 war ein Krisenjahr besonderen Ausmaßes.

Gegen die Wucht dieser Ereignisse verblassen nationale Gesetzesvorhaben, die die "GroKo" in Teilen schon umgesetzt hat. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat als Vorsitzende der CDU ihren Koalitionspartnern CSU und SPD einigen Platz gelassen, ihre Projekte als Teil der gemeinsamen Regierungsarbeit auf den Weg zu bringen. Die SPD freut sich darüber, dass sie den gesetzlichen Mindestlohn, die abschlagsfreie Rente nach 45 Versicherungsjahren, die Mietpreisbremse oder die Frauenquote zu Gesetzen gemacht hat.

SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte kürzlich voraus, dass diese Legislaturperiode die sozialdemokratischste seit Langem werden würde. Wenn es stimmt, hat es ihm trotzdem wenig gebracht: Seine SPD kommt bei bundesweit 25 Prozent Zustimmung nicht von der Stelle. Die CSU arbeitet an ihrem Wahlkampfschlager Pkw-Maut für Ausländer und kommt dabei nicht voran, weil die Europäische Kommission bayerisches Lebensgefühl und europäisches Rechtsverständnis nicht in Einklang bringen will. Und auch das Betreuungsgeld wird für die CSU zum Rohrkrepierer, nachdem das Bundesverfassungsgericht die "Herdprämie" gekippt hat.

CDU-Chefin Merkel regiert derweil durch die größte Krise ihrer bislang zehn Jahre als Bundeskanzlerin. Gestern vor zwei Jahren wählten sie die Abgeordneten des Bundestages mit großkoalitionärer Mehrheit für eine dritte Amtszeit nach 2005 und 2009 zur Regierungschefin der Bundesrepublik Deutschland. Doch jetzt muss die mächtigste Frau der Welt durch die Flüchtlingskrise.

CSU-Chef Horst Seehofer tut dabei alles, um es ihr so schwer wie möglich zu machen. SPD-Chef Gabriel wiederum muss sich selbst beizeiten gegen Merkel in Stellung bringen. Es gehört zu den Regeln demokratischer Macht, dass Koalitionen eben nur auf Zeit verabredet sind. Diese dritte große Koalition nach 1966 und 2005 hat bislang effizient gearbeitet. Deutschlands Zukunft ist ihr Auftrag. Spätestens Anfang 2017 werden CDU, CSU und SPD wieder auf jeweils eigene Rechnung agieren.

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