Kommentar Impfungen - Aufklärung statt Zwang

Schluckimpfung ist süß - Kinderlähmung ist grausam: Vielen heutigen Eltern wird der Werbespruch für den Schutz gegen Polio aus ihrer eigenen Kindheit bekannt vorkommen.

Er hat offensichtlich gewirkt. Die Krankheit, die noch vor wenigen Jahrzehnten weltweit Hunderttausende von Menschen umbrachte oder verkrüppelte, gilt heute als fast ausgerottet. Auch an Pocken stirbt in Deutschland kein Kind mehr - dank Impfstoffen.

Doch der Schutz funktioniert nur, wenn (fast) alle mitmachen. Die aktuellen Masernerkrankungen sind Symptom einer wachsenden Impfmüdigkeit. Schon in Geburtsvorbereitungskursen wird vehement über das Für und Wider des Krankheitsschutzes diskutiert. Es ist eine Art Glaubenskrieg entbrannt: auf der einen Seite die Gegner, die Impfungen bestenfalls für nutzlos und schlimmstenfalls für schädlich halten. Auf der anderen Seite diejenigen, die sich auf Seiten der Wissenschaft sehen.

Für viele erstaunlich: Gerade im Bildungsbürgertum finden sich viele Eltern, die ihre Kinder nicht impfen lassen. Es geht nicht nur um die durchaus nachvollziehbare Abwägung zwischen Vorteilen und Risiken, etwa durch Nebenwirkungen. Offenbar sind die Erinnerungen an die Epidemien vor wenigen Jahrzehnten so stark verblasst, dass esoterisch angehauchte Vorstellungen von der Stärkung der Abwehrkräfte durch eine gezielte Ansteckung bei "Masernpartys" mittlerweile als salonfähig gelten.

Der von Ärzten und Politikern geforderte Impfzwang ist angesichts dieser gefährlichen Auswüchse zwar nachvollziehbar. Praktikabel ist er nicht. Gerade die überzeugten Impfgegner werden sich in ihren Verschwörungstheorien gegenüber Staat und Pharmaindustrie bestärkt sehen und Auswege finden. Das Erziehungsrecht der Eltern - dazu gehört die Entscheidung über eine Impfung - ist zudem im Grundgesetz verankert und genießt besonderen Schutz.

Auch wenn es der steinigere Weg ist: Langfristig kann nur weitere Aufklärung Eltern dazu bringen, ihre eigenen und andere Kinder durch Impfungen zu schützen. Viele junge Paare sind durch die Debatte schlicht verunsichert. Sie wissen oft nicht, dass ihre Entscheidung für oder gegen einen Krankheitsschutz nicht nur ihr eigenes, sondern auch fremde Kinder betrifft.

Sie wissen nicht, dass sie eventuell Babys in Lebensgefahr bringen, die noch zu jung für eine Impfung sind und sich zum Beispiel im Wartezimmer des Kinderarztes anstecken. Sie wissen oft nicht, dass Masern eben keine harmlose Kinderkrankheit sind, sondern noch Jahre nach der Erkrankung zu schwerwiegenden Folgen führen können.

Sie wissen nicht, dass sie als eine Art Trittbrettfahrer den Eltern geimpfter Kinder zumuten, mögliche Nebenwirkungen in Kauf zu nehmen, damit das Risiko für die eigenen - ungeimpften - Kinder nicht zu groß wird.

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