Kommentar Jemen - Kein zweites Somalia

Als sich vor einer Woche Selbstmordattentäter in zwei Moscheen in Sanaa in die Luft sprengten und über 100 Gläubige in den Tod rissen, zeigte sich der Konflikt im Jemen wie unter einem Brennglas: Die Opfer waren schiitische Huthi-Anhänger, die Täter sunnitische Muslime.

Wie in Syrien und in Libyen ist die Demokratiebewegung von 2011 im Jemen in Blut und Chaos versunken. Saudi-Arabiens militärisches Eingreifen und das seiner Verbündeten bietet die Chance, das Land wieder zu stabilisieren.

Es wäre falsch, die am Mittwoch begonnene Militäroffensive als reinen Stellvertreterkrieg zu bezeichnen. Sicher geht es auch darum, dass das saudische Königshaus in Riad dem Iran keine Möglichkeit geben will, seinen Einfluss im Jemen auszuweiten. Der Jemen ist zwar das ärmste arabische Land, verfügt aber über Ölvorkommen, einen Zugang zum Roten Meer und beherrscht das Nadelöhr am Bab al-Mandab, eine der wichtigsten Schiffsrouten weltweit.

Was die Situation im Jemen auch von der in Syrien unterscheidet: Nach den Demonstrationen für einen Politikwechsel, die zum Rücktritt von Präsident Ali Abdallah Saleh führten, hat es einen international begleiteten Transformationsprozess gegeben, den die arabischen Staaten mit unterstützten. Saudi-Arabien und die Golfstaaten stellten dem Jemen Milliarden US-Dollar bereit, um Übergangspräsident Abd Rabbo Mansur Hadi zu stärken.

Doch Hadi musste vor den anrückenden Huthi-Rebellen fliehen, die immer mehr Landesteile unter ihre Kontrolle bringen und nun auch schon einen wichtigen Hafen am Roten Meer halten. Dass dieser Zugang dem Iran erleichtern würde, die Aufständischen mit Waffen zu beliefern, wollen die Saudis unbedingt verhindern.

Der Jemen ist in dieser Form ein junger Staat, erst 1990 aus einem Nord- und einem Südteil nach langer Kolonialgeschichte vereint und seitdem auch schon in einen Bürgerkrieg verstrickt gewesen. Als ob der Kampf gegen die Huthis, die aus dem Norden kommen, nicht genug wäre, musste Hadi im Süden auch gegen die Unabhängigkeitsbestrebungen der Hirak-Bewegung wirken, wo sich wiederum die Islamisten von "Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel" festgesetzt haben. Ihr Ziel ist, vom Jemen aus das saudische Königshaus zu destabilisieren.

Für die USA, die die arabische Allianz im Jemen logistisch unterstützen, kommt die Offensive zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt: In Genf laufen die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm, wo es ohnehin noch hohe Hürden zu überwinden gibt. Ein Interessenkonflikt im Jemen erleichtert die Gespräche nicht. Gleichzeitig müssen die USA sich eingestehen, dass ihr Engagement im Jemen bisher gescheitert ist: Seit über zehn Jahren führt Washington dort erfolglos einen Drohnenkrieg gegen die islamistische Terrorszene.

Zudem hat das Weiße Haus all die Jahre den gestürzten Präsidenten Saleh gestützt. Vieles spricht dafür, dass beim Vormarsch der Huthi-Rebellen nicht nur der Iran, sondern auch Saleh seine Hände im Spiel hat. Deshalb geht es darum, einen weiteren gescheiterten Staat wie in Somalia zu verhindern, wo sich im Machtvakuum Dschihadisten Rückzugsgebiete sichern, aus denen sie die ganze Welt bedrohen können.

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