Kommentar zu Jürgen Klinsmann Eulen in Athen
Meinung | Bonn · Jürgen Klinsmann ist zurück im Geschäft. Der frühere Bundestrainer übernimmt die südkoreanische Nationalmannschaft. Dafür muss sich der Erneuerer neu erfinden, meint unser Autor.
Es ist kaum vorstellbar, dass Jürgen Klinsmann viel länger als 24 Stunden benötigt, um sich auf Koreanisch verständigen zu können. Ein dummer Mensch könne Hangeul in zehn Tagen erlernen, sagte vor Hunderten Jahren der weise König des Landes, Sejong, gleichzeitig Urheber des koreanischen Alphabets, „ein gebildeter Mensch sogar an einem“. Klinsmann, der Weltenbummler aus Good Old Germany, wird sich schnell zurechtfinden im Süden der asiatischen Halbinsel, wo er nun die Fußball-Nationalmannschaft (Lerne Koreanisch, Kapitel 1: Daehan Min‘guk Chukgu Gukga Daepyo Tim) auf die WM 2026 vorbereiten wird. Besser: Die Fußballer des Landes müssen sich erst mal bei ihm zurechtfinden.
Denn Klinsmann gilt als Erfinder, Erneuerer, Erleuchter in der Fußballwelt, doch bisweilen führen seine Ideen und Impulse auch zu einem Aufschrei des Entsetzens. Im konservativen Bayern etwa hatten sie mit seiner freigeistlerischen Berufsauslegung wenig Gaudi, obschon einige seiner Inspirationen noch heute die Säbener Straße umwehen. Nach dem Vorbild amerikanischer Sportclubs ließ der US-Fan eine „Players Lounge“ errichten, ein „Coaches Office“, ein Kino und „Family Rooms“ zu Beginn seiner Zeit als Trainer in München. Dass die alteingesessene Bayern-Familie rot anlief, war jedoch einer anderen Eingebung Klinsmanns geschuldet. Er präsentierte als wichtigste Neuzugänge eine Armee güldener Buddha-Statuen, die er auch auf dem Dach des Leistungszentrums installieren ließ (was er später dementierte).
Vollkommenheit des Geistes
Nun sollte sich der Erfinder in seiner neuen Wahlheimat Südkorea noch einmal neu erfinden und die Bayern-Buddhas im heimischen kalifornischen Schrank lassen, denn in dem auch vom Buddhismus geprägten Land wimmelt es nur so von Skulpturen des indischen Religionsstifters. Eulen nach Athen tragen, wäre dagegen eine Fingerübung. Aber jeder ist ja lernfähig. Und Buddha selbst hat nach einigen Aufs und Abs aus eigener Kraft die Reinheit und Vollkommenheit seines Geistes erreicht. Ganz so weit ist Klinsmann in seiner persönlichen Entwicklung noch nicht, immerhin aber ist er recht schnell in das Nirvana bei den Bayern eingetaucht. Nach zehn Monaten war Schluss dort, bei seiner bislang letzten Station bei der Hertha, die auf Berlin-Buddhas dann verzichten musste, bereits nach drei.
Nun sollte er für Südkorea die richtigen Schlüsse daraus ziehen und die Kultur der Menschen durchdringen. Fest steht: Neinsagen gilt als sehr unhöflich, selbst wenn man Nein meint. Als Jasager ist der Schwabe jedoch gewiss nicht bekannt. Aber auch in seinem eigenen Kopf könnten sich vorab einige schöne Ideen entwickeln, wie er seine positive Energie dort gewinnbringend einsetzen könnte. Seine Spieler könnte er den „Diver“ lehren, den er selbst als Profi, knapp fliegend über der Grasnarbe, als Jubel zur Vollendung brachte. Oder den richtigen Tritt in die Tonne. Vielleicht sollte der Bäckersohn aus Botnang auch einfach eine riesige Tüte Brot als Mitbringsel einpacken, made in Germany. Jeden Tag erst mal eine gute Scheibe Schwarzbrot statt Morgensuppe (mit Fleisch oder Fisch). Sehr gewöhnungsbedürftig für die Einheimischen. Aber immer noch besser als Buddhas auf dem Dach.