Kommentar Katholische Kirche vor Reformen - Der andere Papst

BERLIN · Dieser Papst ist anders. Dieser Papst kann die katholische Weltkirche verändern. Seine ersten Tage und Wochen auf dem Stuhle Petri haben schon gezeigt, dass Franziskus kein abgehobener Kirchenführer sein und folglich auch keine von den Menschen entrückte Kirche haben will.

Franziskus wohnt immer noch im päpstlichen Gästehaus und nicht im Apostolischen Palast. Er tritt ohne prunkvollen Umhang vor die Gläubigen auf dem Petersplatz. Gründonnerstag hat er in einem römischen Jugendgefängnis zwölf jungen Menschen die Füße gewaschen. Ein Akt der Demut, wie er ihn bereits demonstriert hat, als er noch Erzbischof von Buenos Aires war.

Franziskus liebt neues Denken und das freie Wort. "Neues Wort" ("Palabra Nueva") heißt auch jene unter Fidel Castro lange Zeit verbotene Bistumszeitung aus Havanna, in der jetzt der kubanische Kardinal Jaime Lucas Ortega die kurze Rede von Kardinal Jorge Mario Bergoglio, dem neu gewählten Papst Franziskus, vor Beginn des Konklaves veröffentlicht hat.

Kardinal Ortega kann diese Rede nur mit ausdrücklicher Autorisierung durch Papst Franziskus veröffentlicht haben. Diese Veröffentlichung ist kirchenhistorisch eine Sensation, weil der Papst damit mögliche Motive für seine Wahl aus einer ehern geschlossenen Versammlung öffentlich macht.

Bergoglio warnte in dieser Rede vor der "Selbstbezogenheit" der katholischen Kirche, er wandte sich gegen einen "Geist des theologischen Narzissmus" und gegen eine "egozentrische Kirche", die ihre Berechtigung aus sich selbst heraus definiert und nicht im Wirken für die Menschen. 116 Kardinäle des Konklaves haben diese Rede Bergoglios gehört. Und offenbar hat der Argentinier dabei vielen aus der Seele gesprochen. Jawohl, eine Reform muss her, vielleicht sogar eine Revolution.

Wer den rasanten Wandel in den Volkswirtschaften und ihren Gesellschaften in den vergangenen 20 Jahren Revue passieren lässt, muss erkennen, dass die katholische Kirche diesen Wandel vielleicht registriert hat, ihn bestenfalls aber nur mit zögerlicher Konsequenz bei sich umsetzen wollte. Die Kirche musste und muss - wie Parteien oder Gewerkschaften auch - Austritte in großem Stil verkraften.

Das ist auch eine Form der Abstimmung. Ob sich beispielsweise der Zölibat in seiner jetzigen Form über das laufende Jahrhundert halten wird oder die Kirche sich öffnet, weil viele Gläubige es wünschen, wird eine spannende Diskussion. Franziskus stellt den Zölibat nicht in Frage. Aber sein unkonventionelles wie unprätentiöses Auftreten wie auch sein Eintreten für die Armen und Schwachen kann Impuls für notwendige Veränderungen der katholischen Kirche sein. Die Kurie mag davor Angst haben, viele Gläubige haben sie nicht. Das Konklave hat mit Franziskus einen Wechsel gewählt.

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