Kommentar Korruption im Gesundheitswesen - Gesetzeslücke

Es war ein brisanter Fall: Über Jahre hatten Ärzte die Hand aufgehalten und insgesamt 18 000 Euro von einem Pharmaunternehmen eingestrichen, weil sie gezielt dessen Medikamente verordnet hatten. Was aber die Öffentlichkeit am Ende noch mehr erzürnte: Die wegen Bestechlichkeit angeklagten Mediziner kamen nach jahrelangen Ermittlungen mit einem Freispruch davon.

Denn die Richter am Bundesgerichtshof urteilten, dass die Betroffenen nicht belangt werden könnten. Sie seien keine angestellten Ärzte, sondern Freiberufler.

Das Urteil vom vergangenen Frühjahr hat eine massive Lücke in der Gesetzgebung offenbart. Die Freigesprochenen haben gegen das ärztliche Ethos, die Berufsordnung der Ärztekammern und gegen das Sozialrecht verstoßen. Im Mittelpunkt des ärztlichen Bemühens muss das Wohl des Patienten stehen. Wer sich von Arzneimittelherstellern für die Rezeptausstellung bezahlen lässt, hat offensichtlich mehr seinen Geldbeutel im Sinn.

Deshalb muss der Gesetzgeber klarstellen, dass Bestechung und Bestechlichkeit bei Ärzten Pflichtverletzungen darstellen, unabhängig von ihrem Status, ob angestellt im Krankenhaus oder niedergelassen in eigener Praxis. Gerade die freiberuflich praktizierenden Ärzte sind es, denen die Pharmareferenten die Türen einrennen. Und oft bieten sie keine neuen Präparate mit wirklichem Zusatznutzen an, sondern Scheininnovationen, die die zahlenden Krankenkassen und die Patienten teuer zu stehen kommen. Man weiß, dass Ärzte, die sich nicht vorrangig durch Pharmareferenten von den Entwicklungen auf dem Arzneimittelmarkt unterrichten lassen, preislich günstiger verordnen als solche, die den Marketingstrategien der Pharmakonzerne erliegen.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hält gesetzliche Verschärfungen für überflüssig. Sie hat eine Broschüre aufgelegt, in der zulässige und unzulässige Kooperationen mit den Herstellern von Einlagen, Prothesen, Pillen und Verbänden aufgelistet sind. Die Fallbeschreibungen zeigen, dass die Übergänge von richtigem zu Fehlverhalten fließend sind. So dürfen sich Ärzte Fortbildungen auf Kosten der Industrie bezahlen lassen, wenn sie nicht im Luxushotel übernachten, sondern eine "angemessene" Unterkunft bereitsteht. Umfragen haben immer wieder gezeigt, dass sich viele Ärzte nicht im Klaren sind, was noch grenzwertiges Verhalten und was schon Korruption ist.

Auch wenn die schwarzen Schafe unter den Medizinern nicht in der Mehrheit sind: Auffällig selten kommt es zu Geldbußen und Zulassungsentzug. Die Ärztekammern selbst fordern mehr Ermittlungskompetenzen. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr sollte also endlich eigene Vorschläge machen, wie auf das Karlsruher Urteil zu reagieren ist.

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