Kommentar Korruptionskrise in der Türkei - Erdogan in Panik

Die plötzliche Massenversetzung von Polizeibeamten in Ankara ist ein Zeichen dafür, dass die Regierung des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan in Panik gerät. Sie sieht überall Verschwörer und reagiert entsprechend überzogen. Die Polizei soll der Regierung vollständig unterstellt und als Frühwarnsystem bei möglichen neuen Korruptionsermittlungen gegen Erdogan-Getreue genutzt werden. Kurzfristig wird sich Erdogan dadurch möglicherweise Luft verschaffen. Doch auf mittlere Sicht wird der Plan nicht funktionieren.

Schon regt sich in der Partei des Regierungschefs der Widerstand gegen die immer maßloseren Verschwörungstheorien des Chefs. Nicht alle Politiker der Erdogan-Partei AKP werden sich auf Dauer den Mund verbieten lassen. In der Öffentlichkeit wächst die Skepsis. Frühere AKP-Anhänger, selbst islamisch-konservative Intellektuelle, fühlen sich von der Reaktion der Regierung auf den Korruptionsskandal abgestoßen. Demoskopen erwarten einen Rückgang der Unterstützung für die AKP. Dieser Trend könnte sich verstärken, wenn die Wirtschaft schwächeln sollte oder neue Korruptionsfälle aufgedeckt werden.

Das heißt nicht, dass Erdogan unmittelbar vor dem Sturz steht. Nach wie vor ist er bei vielen konservativen Türken sehr beliebt, auch hat er einen Teil der Medien auf seiner Seite. Doch der 59-Jährige wird möglicherweise sein großes Karriereziel - den Einzug in den Präsidentenpalast im kommenden Sommer - nicht erreichen, weil er zu viele Türken zu lange vor den Kopf gestoßen hat.

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