Kommentar Kosten der Zahnbehandlung - Falsches Sparen

Mutti, Mutti, er hat gar nicht gebohrt! Ältere Patienten werden sich noch an die Zahnpastawerbung erinnern, die Kunden schmerzlose Zahnarztbesuche versprach, wenn die Zähne nur regelmäßig geputzt wurden. Erfreulicherweise ist die Zahngesundheit in den letzten Jahren gestiegen, es muss tatsächlich weniger gebohrt werden, weil Prophylaxe inzwischen groß geschrieben wird.

Trotzdem ist nicht alles in Butter. Wer Brücken oder Kronen benötigt, muss als gesetzlich Versicherter inzwischen deutlich mehr selbst zahlen als früher. Es ist richtig, dass die Krankenkassen Alarm schlagen.

Eigentlich hätte dem Gesetzgeber die Regelungslücke selbst längst auffallen müssen. Seit die gesetzlichen Krankenkassen ihren Mitgliedern nur noch einen Festzuschuss für den Zahnersatz gewähren, stehen diese mit den privaten Rechnungen, die ihnen ihr Zahnarzt schickt, allein da. Keine gesetzliche Krankenkasse hat Einblick in die Endabrechnung und kann bei möglichen Verstößen gegen die Gebührenordnung für Zahnärzte ihren Versicherten zur Seite stehen.

Was die Kassen stutzig macht: Die Kosten, die die Patienten beim Zahnarzt selbst übernehmen müssen, sind seit 2005 um zehn bis 14 Prozent gestiegen. Entsprechend häufig melden sich Versicherte bei der Unabhängigen Patientenberatung. Dass ein Drittel aller Anfragen die Zahnmedizin betreffen, spricht für sich.

Es ist insofern verständlich und nur folgerichtig, dass die Krankenkassen jetzt Transparenz von den Zahnärzten fordern und auch Einblick in die privaten Abrechnungen verlangen. Hier ist die Politik gefordert. Schließlich gehen Transparenz und Qualitätskontrolle Hand in Hand. Es darf nicht sein, dass gesetzlich Versicherte, die keine private zahnärztliche Zusatzversicherung haben, in dieser Hinsicht den Kürzeren ziehen.

Gleichwohl ist die Kritik der Krankenkassen ein wenig scheinheilig. Gäbe es den Festzuschuss nicht, sondern eine prozentuale Beteiligung von beispielsweise 50 Prozent, könnte auch der Selbstbehalt der Patienten sinken. Es geht eben schlecht zusammen, wenn das System aus Kassen und Gesundheitsfonds auf der einen Seite Überschüsse von fast 20 Milliarden Euro aufweist und diese Profiteure dann klagen, dass die Versicherten immer mehr selbst schultern müssten. Zumal die Kassen dieses Plus auch umfangreichen Sparmaßnahmen bei den Zahnärzten verdanken. Diese müssen in diesem und im vergangenen Jahr mit 60 Millionen Euro weniger auskommen.

Mutti, Mutti, er hat gar nicht gebohrt - bei Witzbolden endete der Satz mit: "Er hat gleich den Zahn gezogen." Zahngesundheit, so viel weiß man, ist mit entscheidend für die gesamte körperliche Verfassung. Ein Gesundheitssystem, das hier zu viel spart, spart am falschen Ende.

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