Kommentar Krieg gegen den IS - Fatale Niederlage

Kairo · Es ist die größte Niederlage gegen die Dschihadisten des Islamischen Staates, seit die irakische Stadt Mossul letztes Jahr an sie gefallen ist. Nun haben sie auch die irakische Stadt Ramadi erobert, nur eine gute Autostunde von der Hauptstadt Bagdad entfernt. Damit kontrolliert der IS drei wichtige Provinzhauptstädte neben dem irakischen Mossul und dem syrischen Raqqa.

Wenn die militanten Islamisten die Stadt Ramadi halten können, dann hat die irakische Regierung nicht nur eine wichtige Stadt, sondern auch das Kommandozentrum der gesamten sunnitischen Provinz Anbar verloren.

Aus Washington heißt es, Ramadi sei noch nicht verloren, die Lage sei im Fluss, wie es Pentagon-Sprecher Steven Warren beschreibt, der gleichzeitig versuchte, auch den schlimmsten Fall herunterzuspielen. Ein Verlust Ramadis bedeute keinen Wendepunkt in dem Feldzug gegen den IS. Wenn die Stadt verloren wird, bedeute das nur, dass die Koalition die irakischen Truppen unterstützen müsse, um den Ort später zurückzuerobern. Auch US-Außenminister John Kerry stieß ins gleiche Horn.

Noch letzten Monat hatte Iraks Premier Haider al-Abadi angekündigt, dass demnächst die ganze Provinz Anbar zurückerobert werde. Das klingt heute wie Hohn. Auch die seit Monaten angekündigte Offensive zur Rückeroberung von Mossul dürfte nun auf die lange Bank geschoben werden. Denn jetzt wird es zuallererst darum gehen, die Hauptstadt Bagdad gegenüber der vorgerückten Front in Ramadi abzusichern.

Mehrere Lehren lassen sich aus dem Fall Ramadis ziehen. Die irakische Armee ist selbst in der Nähe Bagdads nicht fähig, Nachschub und Logistik für eine umkämpfte Stadt zu organisieren. Den dortigen Soldaten soll teilweise die Munition ausgegangen sein. Und auch die intensivierten US-Luftangriffe konnten den IS-Vormarsch auf die Stadt nicht aufhalten.

Aufgrund des Scheiterns der regulären irakischen Truppen und der US-Luftwaffe hat Iraks Premier al-Abadi nun angeordnet, dass wieder die schiitischen Milizen bei der Rückeroberung der Stadt zum Einsatz kommen sollen. Doch gerade in der sunnitischen Hochburg der Anbar-Provinz wird da der Bock zum Gärtner gemacht. Bei der Eroberung Tikrits vor wenigen Wochen hatten die schiitischen Milizen so gegenüber ihren sunnitischen Mitbürgern gewütet, dass sie abgezogen werden mussten.

Militärisch mögen die schiitischen Milizen derzeit das effektivste Mittel sein, politisch sind sie ein Desaster. Auch, dass diese vor Tikrit teilweise von iranischen Generälen dirigiert worden sind, dürfte bei den Sunniten in Ramadi wenig Vertrauen schaffen.

Das ist wohl der Hauptgrund, warum die Bewohner Ramadis vergangenen Monat zu Tausenden aus der Stadt und ihrer Umgebung geflohen sind: Sie wollen sich weder von dem IS terrorisieren noch von schiitischen Milizen massakrieren lassen.

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