Kommentar Krieg um die Köpfe

Washington · Ausspannen, Golf spielen, sich Ehefrau und Töchtern widmen, das Washingtoner Haifischbecken vorübergehend hinter sich lassen - für Barack Obama wird auch im Sommer 2015 nichts daraus.

Von seiner Urlaubsinsel Martha's Vineyard aus wird der amerikanische Präsident demnächst einen Feldzug dirigieren, der über sein politisches Erbe entscheidet. Es wird ein Krieg um die Köpfe. Er muss ihn gewinnen. Sonst könnten Waffen sprechen.

Nach dem in Wien gemeinsam mit den anderen Mächten im UN-Sicherheitsrat und Deutschland erzielten Kompromiss über das iranische Atom-Programm muss Obama die heimische Opposition abwettern. Sie will das Abkommen, das gleichbedeutend ist mit einem epochalen außenpolitischen Erfolg auf der Zielgeraden von Obamas zweiter Amtszeit, zu Fall bringen. Koste es, was es wolle. Dass es dabei nicht um den reinen Sachverhalt geht, ist offensichtlich. Die Konservativen wissen: Ein jetzt vom Kongress mitgetragener Atom-Deal ist bis zum Beweis der Vertragsbrüchigkeit auch für den nächsten (republikanischen?) Präsidenten unumkehrbar. Umso mehr, wenn die Demokraten 2016 den Senat zurückerobern sollten.

Dieses Kalkül ist der eigentliche Grund, warum die Republikaner und die von Premierminister Netanjahu angeführte israelische Anti-Obama-Lobby Millionen in eine Kampagne investiert, die den Atom-Vertrag mit Teheran geradezu als Versündigung an der Menschheit verunglimpft. Ohne Alternativen anzubieten.

Im September werden die Republikaner mit ihren Mehrheiten im Senat wie im Repräsentantenhaus Einspruch gegen den Iran-Deal einlegen. Was Obamas präsidiales Veto nach sich ziehen wird. Um das wiederum zu neutralisieren und das Abkommen komplett zu versenken, müssten die Gegner des Iran-Deals in beiden Kammern eine Zwei-Drittel-Mehrheit aufbieten und über 50 Demokraten aus der Obama-Front herausbrechen. Zurzeit unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Unter denen, die in Obama einen naiven Steigbügelhalter eines mittelfristig noch gefährlicher und aggressiver werdenden Iran sehen, sind auch etliche Demokraten. Und Amerikas Öffentlichkeit ist tief gespalten.

Wie ernst es Obama mit einer friedlichen Einhegung der atomaren Ambitionen Teherans ist, hat er gestern in Washington an einem geschichtsträchtigen Ort bewiesen. Da, wo John F. Kennedy 1963 mitten im Kalten Krieg für den Atomwaffentest-Stopp mit der Sowjetunion eintrat, warb der Präsident leidenschaftlich für eine nichtmilitärische Lösung eines der größten geopolitischen Konfliktherde des 21. Jahrhunderts. Er rückt damit abermals die unter seinem Vorgänger Bush sträflich vernachlässigte Kategorie des kontrollierten Vertrauensvorschusses zur Krisenbewältigung in den Mittelpunkt. Wer dagegen ist, sagt Obama, treibt die Welt in den Krieg. Ihn zu widerlegen, fällt ausgesprochen schwer.

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