Kommentar zum Konflikt zwischen den USA und dem Iran Kriegsgefahr

Meinung | Teheran / Washington · Die Tötung des iranischen Generalmajor Soleimani erhöht die Spannungen zwischen den USA und dem Iran. Teheran kündigt harte Vergeltung an – Präsident Trump erklärt, die USA seien einem schweren Anschlag vorgekommen. Die Zeichen stehen auf Krieg, kommentiert GA-Redakteur Nils Rüdel.

 Die Tötung des iranischen Generalmajor Soleimani erhöht die Spannungen zwischen den USA und dem Iran.

Die Tötung des iranischen Generalmajor Soleimani erhöht die Spannungen zwischen den USA und dem Iran.

Foto: dpa/Uncredited

Im Nahen Osten stehen die Zeichen auf Krieg. Auch wenn keine der beteiligten Mächte die große Schlacht will, droht der Konflikt zwischen den USA und dem Iran genau in eine solche zu eskalieren. Die Tötung des iranischen Top-Generals Ghassem Soleimani durch eine US-Drohne könnte der Funke sein, der das Pulverfass Nahost zur Detonation bringt. Der von US-Präsident Donald Trump angeordnete Luftschlag ist eine offene Kriegserklärung an den Iran – mit unabsehbaren Folgen.

Soleimani war freilich kein Unschuldiger. Der zweitmächtigste Mann im Iran nach Revolutionsführer Ali Chamenei hat im Auftrag der Mullahs in den vergangenen Jahren die ganze Region mit Terror und Destabilisierung überzogen. Die von ihm befehligten Al-Kuds-Brigaden und die von ihm aufgebauten und gelenkten pro-iranischen Milizen treiben von Syrien über den Libanon bis in den Jemen ihr Unwesen und provozieren den Westen und Israel unentwegt. Der General wird auch beschuldigt, die Beinahe-Erstürmung der US-Botschaft in Bagdad über Silvester orchestriert zu haben und er plante laut US-Regierung einen Anschlag auf Amerikaner. Doch der Luftangriff auf Soleimani, von Washington als Akt der Verteidigung gerechtfertigt, ist weit mehr als eine begrenzte Militäraktion. Er hebt den Konflikt in eine völlig neue Dimension.

Bisher waren es Nadelstiche, die sich die Konfliktparteien gegenseitig zufügten. Die Eskalationsspirale begann im Sommer vergangenen Jahres, als der Iran im Golf von Oman Öltanker angriff oder an der Weiterfahrt hinderte. Die USA schickten einen Flugzeugträgerverband und eine Bomberstaffel. Am Ende wurden zwei Raffinerien im mit den USA verbündeten Saudi-Arabien angegriffen. Zugleich verschärfte Washington die Sanktionen gegen Teheran, während die Mullahs ankündigten, das Atomprogramm wiederaufzunehmen. Begleitet wurden die Scharmützel von gegenseitigen Drohungen.

Mit dem Angriff auf Soleimani hat Trump die Eskalationsspirale nun weitergedreht zu einem Punkt, ab dem vielleicht keiner mehr zurück kann, ohne sein Gesicht zu verlieren. Aktion und Reaktion. Auch wenn sich das Regime im wirtschaftlich darbenden Iran keinen Krieg gegen die Supermacht leisten kann, auch wenn die Amerikaner und auch Trump die „endlosen Kriege“ in Nahost eigentlich beenden wollen – die Gefahr eines Krieges aus Versehen ist groß. Es sieht nicht danach aus, dass entweder die iranische Führung oder Trump, der glaubt, aus einer Position der Stärke heraus den Iran zu Verhandlungen zwingen zu können, im Moment zur Deeskalation in der Lage sind.

Der Iran wird entschlossen antworten – die Frage ist nur wann, wo und wie. Womöglich wird er die Lage in Syrien oder im Irak mit Anschlägen weiter anheizen, wo treue schiitische Milizen auf 5000 noch verbleibende US-Soldaten treffen. Auch in Israel bereitet man sich auf das Schlimmste vor.

Die brandgefährliche Region ist über Nacht noch gefährlicher geworden. Auch für Deutschland gilt erhöhte Alarmbereitschaft: Die 120 Bundeswehr-Soldaten im Irak sind nun ebenso gefährdet wie amerikanische und israelische Einrichtungen in Deutschland. Deren Schutz muss verstärkt werden.

Im Übrigen ist die Bundesregierung wie auch die EU weitgehend zum Zuschauen verdammt. Deutschland kann und sollte die Lage zum Thema im UN-Sicherheitsrat machen, aber viel ausrichten wird das nicht. Und wirklichen Einfluss auf Trump hat niemand im Kreis der Nato-Verbündeten. Die letzte große diplomatische Errungenschaft der Europäer gemeinsam mit den USA in Nahost, der Atomdeal mit dem Iran, war bereits durch Trumps Aufkündigung im Mai 2018 halbtot. Jetzt ist er mausetot.

Man kann nur hoffen, dass der US-Präsident weiß, was er da tut. Dass er zumindest auf besonnene Berater hört, die ein Konzept haben und den zweiten, dritten und zehnten Schritt vorausdenken können. Dafür spricht allerdings leider nicht viel.

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