Kurdischer Separatismus

Von Lösungen weit entfernt

Regierung und Armee in der Türkei sollten sich nach dem Tod von 15 Soldaten bei einem Angriff der kurdischen PKK-Rebellen davor hüten, populistischen und nationalistischen Forderungen nachzugeben und die Kurdenpolitik zu verschärfen. Der Schock über den hohen Verlust an Soldaten und über die unerwartete Stärke der schon häufig totgesagten PKK sitzt bei vielen Türken zwar tief.

Doch nicht mit einem Abbau demokratischer Errungenschaften, sondern im Gegenteil nur mit einem Ausbau der Demokratie kann die Spirale aus immer neuer Gewalt der PKK und immer neuen Militäraktionen der Armee durchbrochen werden.

Seit die PKK 1984 zu den Waffen griff, ist fast ein Vierteljahrhundert vergangen. Nach unzähligen Offensiven und Strafaktionen der Militärs sind die Rebellen immer noch da - und sie sind plötzlich stärker als je zuvor.

Die PKK braucht den Kampf - ohne ihn verliert die Guerrillagruppe ihre Existenzgrundlage. Doch auch auf türkischer Seite gibt es Interessen an einer endlosen Fortsetzung der Gefechte. Die türkische Armee brauche den Feind PKK, um ihre eigene Machtposition gegenüber Politikern und Bevölkerung zu rechtfertigen, sagen Menschenrechtler. Türkische Nationalisten würden ihr wichtigstes Argument gegen eine Demokratisierung des Landes verlieren, wenn plötzlich der Frieden ausbräche.

Auch die türkische Politik ist nicht unschuldig. Ursprünglich galt der Kampf der PKK dem Feudalsystem im türkischen Kurdengebiet - und das ist nach wie vor quicklebendig. Noch heute schließen Parteien in Wahlkämpfen ihre Bündnisse mit kurdischen Clanchefs, die dem jeweiligen Partner zigtausende Stimmen im Paket versprechen und im Gegenzug in ihrem Landstrich tun und lassen können, was sie wollen. Es ist kein Zufall, dass das Kurdengebiet die ärmste und sozial rückständigste Region der Türkei ist.

Und doch wächst in der Türkei die Einsicht, dass es nicht so weiter gehen kann wie bisher. Wenn selbst der türkische Generalstabschef öffentlich einräumt, dass der Konflikt mit militärischen Mitteln allein nicht zu gewinnen ist, dann deutet das darauf hin, dass sich etwas bewegt im Land. Investitionen und Arbeitsplätze im Kurdengebiet würden viele jungen Kurden davon abhalten, sich den Rebellen anzuschließen.

Das Problem der klugen Lösungsansätze liegt darin, dass sie Geld kosten und Zeit brauchen, um ihre Wirkung zu entfalten. Vieles spricht deshalb dafür, dass es auch diesmal bei patriotischen Parolen sowie Strafaktionen der Armee auf türkischem Boden und im Nordirak bleiben wird.

Die Türkei wird das überleben - und auch der Irak wird eine neuerliche türkische Intervention hinnehmen, weil die Regierung in Bagdad ohnehin nichts tun kann, um sie zu verhindern. Doch einer Lösung des Kurdenkonflikts kommt Ankara damit keinen Schritt näher.

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