Kommentar zur Absage der Olympischen Spiele Längst überfällig

Meinung | Tokio · Die Olympischen Spiele sind abgesagt. Das wird Probleme geben. Im Sport-Kalender 2021 stehen bereits die ebenfalls verschobene Fußball-EM, die Leichtathletik- und die Schwimm-WM. Und trotzdem: Es ist eine längst überfällige und richtige Entscheidung, kommentiert unsere Autorin.

 Wegen der Corona-Krise finden die Olympischen Spiele nicht statt.

Wegen der Corona-Krise finden die Olympischen Spiele nicht statt.

Foto: dpa/Jean-Christophe Bott

Schneller, höher, stärker. Das olympische Motto definiert klar den Konkurrenzgedanken. Zahllose Sportler haben lange vor den zögerlichen Entscheidern in Japan und beim IOC verstanden, dass das „Citius, altius, fortius“ der Gegenwart der solidarische Kampf gegen einen gemeinsamen Feind ist – und die Absage der Sommerspiele in Tokio gefordert. Bis zuletzt hat Japan versucht, die Spiele zu retten und sich  Geld der Fernsehsender und Sponsoren zu sichern, doch dann wurde der Druck, den die Athleten und das Virus ausübten, zu groß. Vielleicht siegte  auch die Vernunft. Es war lange überfällig. Olympische und Paralympische Spiele sollen jetzt 2021 stattfinden.

Ja, es wird Probleme geben: Im Sport-Kalender 2021 stehen bereits die ebenfalls verschobene  Fußball-EM, die Leichtathletik- und die Schwimm-WM. Die Sportstätten wurden in Japan teilweise nur für eine temporäre Nutzung gebaut. Viele der Appartments in den Häusern des olympischen Dorfes wurden für die Nutzung nach den Spielen bereits verkauft oder vermietet. Und nicht zuletzt werden die finanziellen Verluste immens sein.

Insofern war die Zurückhaltung von IOC-Präsident Thomas Bach anfangs noch nachvollziehbar. Spätestens in den vergangenen beiden Wochen nahm das Verständnis für sein Zögern rapide ab. Während alle Welt  die Konsequenzen zog, die der Kampf gegen Corona verlangt, und sämtliche Aktivitäten stoppte, hielt der oberste Olympier am geplanten Termin fest.

Sportler konnten nicht mehr gezielt trainieren, Qualifikationswettbewerbe wurden abgesagt. Experten fürchteten Wettbewerbsverzerrung und vermehrte Dopingaktivitäten. Für die Athleten wurde Tokio 2020 unvorstellbar. Und so gaben Sportler ihre Lebensträume auf und fällten für sich die Entscheidung, nicht an den Spielen teilzunehmen. Nationen zogen nach. Immerhin hat die Kraft der sportlichen Gemeinschaft der Forderung nach einer Absage genügend Nachdruck verliehen, um Japan und das zögerliche IOC zum Handeln zu zwingen.

Bach machte keine besonders gute Figur in der Krisenbewältigung und IOC-Mitglied Dick Pound, der die Verschiebung bereits am Abend vor der offiziellen Entscheidung ausplauderte, erhöhte mit seiner Indiskretion nicht nur den Druck. Er demonstrierte, dass Bach offenbar nicht mehr allzu fest im Sattel sitzt. Auch das wird nach dem Ende der Corona-Krise eine Randnotiz sein.

So wie Terminprobleme, Milliardenverluste, Rekorde, Lebensträume. Es geht um mehr: Solidarität mit der Weltgemeinschaft im Kampf um Menschenleben. Der Sport hat das begriffen. Lange vor seinen obersten Funktionären.

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