Kommentar zum Polizeieinsatz in Düsseldorf Mehr Sachlichkeit

Meinung | Düsseldorf · Aber wann und in welchem Ausmaß ist Gewalt von Polizisten zulässig? Videos wie das aus Düsseldorf sorgen für Diskussionen. Zu Recht gelten in einem Rechtsstaat für Polizisten aber hohe Maßstäbe, kommentiert GA-Politikchef Nils Rüdel.

Der Ort in der Düsseldorfer Altstadt, an dem am Samstagabend ein umstrittener Polizeieinsatz stattgefunden hat.

Der Ort in der Düsseldorfer Altstadt, an dem am Samstagabend ein umstrittener Polizeieinsatz stattgefunden hat.

Foto: dpa/Martin Gerten

In Deutschland gibt es nicht nur 83 Millionen Bundestrainer und noch einmal so viele Virologen. Es gibt auch sehr viele selbsternannte Experten für Polizeieinsätze. Die Handyvideos von Festnahmen in Düsseldorf, Hamburg, Hannover und Frankfurt aus den vergangenen Tagen, tausendfach in den sozialen Netzwerken geteilt, ließen für das Twitter-Gericht und Teile von Öffentlichkeit und Politik nur ein Urteil zu: Deutsche Polizisten neigten zu Gewalt. Zu Rassismus sowieso. Was fehlt, ist – wie so oft – ein differenzierter Blick auf die einzelnen Vorgänge. Meist sind die Abläufe komplexer als die kurzen Video-Sequenzen nahelegen. Und der Einsatz von Gewalt, ob gerechtfertigt oder nicht, sieht immer schlimm aus.

Aber wann und in welchem Ausmaß ist Gewalt von Polizisten zulässig? Im Fall Düsseldorf, wo ein Polizist den Kopfbereich eines am Boden liegenden Jugendlichen mittels Schienbein und Körpergewicht fixierte, möglicherweise. In Frankfurt, wo ein Beamter einem gefesselten Mann in den Rücken trat, sicher nicht. Beide Fälle werden nun untersucht. Zum Düsseldorfer Fall ermittelt die Duisburger Polizei, in Frankfurt wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet.

Nun ist eine gewisse Skepsis, ob Übergriffe von Polizisten stets zufriedenstellend aufgeklärt und geahndet werden, nicht unberechtigt. Auch gibt es laut Studien eine hohe Dunkelziffer von Fällen mutmaßlicher Polizeigewalt, die gar nicht erst angezeigt werden, weil das Opfer nicht an einen Erfolg glaubt. Das ist ein Missstand, den die Innenminister stärker angehen müssen, statt – wie etwa Bundesinnenminister Horst Seehofer – die Polizei bei jeder Kritik stets reflexhaft zu verteidigen und Probleme einfach zu bestreiten. Diese Ignoranz ebenso wie ein Generalverdacht gegen die Polizei auf der anderen Seite haben zu einer Atmosphäre geführt, in der es kaum noch möglich ist, konstruktiv über Probleme und Lösungen zu sprechen. Dabei muss die Debatte dringend versachlicht werden.

Zu Recht gelten in einem Rechtsstaat für Polizisten hohe Maßstäbe. Sie üben das Gewaltmonopol des Staates aus und müssen bei Verstößen bestraft werden. Die allermeisten Beamten erfüllen diese Aufgabe aber anstandslos. Polizisten müssen Tag für Tag an vorderster Front die Folgen des Versagens der Gesellschaft und ihrer Institutionen ausbügeln, und sie riskieren zum Schutz der Bürger ihr Leben. Dafür haben sie nicht Geringschätzung, sondern Respekt und Anerkennung in der breiten Gesellschaft verdient.

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