Kommentar zur Debatte um Hass Mehr Zeichen setzen
Meinung | Berlin · Die Abgeordneten im Bundestag haben hochemotional über Hass und Rechtsextremismus debattiert. Die AfD hat dabei erneut ihr wahres Gesicht gezeigt, kommentiert unser Autor.
Vor Hanau bemühte sich die AfD unter neuer Führung, den Eindruck von Mäßigung als erster AfD-Pflicht entstehen zu lassen. Nach Hanau zeigte sich die AfD geflissentlich bemüht, sprachlich weiter abzurüsten. Wäre dieser Kurs jemals ernst gemeint gewesen, wäre im Bundestag bei der Debatte über die Konsequenzen aus den rassistischen Morden von Hanau eine gute Gelegenheit gewesen, sich einzureihen.
Die AfD hätte Mitgefühl und Trauer zeigen können. Sie tat es nicht. Sie hätte applaudieren können, als Omid Nouripour von sich und anderen deutschen Abgeordneten sprach, die mit dem Tode bedroht werden, und trotzig sagte, sie würden den Rassisten nicht ihren Hass und schon gar nicht ihre Angst schenken. Alle klatschten unterstützend. Die AfD nicht.
Die AfD übte sich auf diese Weise wieder einmal in Selbstentlarvung. Sie brachte es fertig, zum Thema der rassistischen Morde von Hanau über alles zu reden, nur nicht über die rassistischen Morde von Hanau. Die Fraktionsführung hielt sich zurück. Aus Furcht? Aus Berechnung?
Die AfD hielt sich lieber an einem „Ja, aber der Linksextremismus“ und „Ja, aber der Islamismus“ fest. Natürlich muss jede extremistische Erscheinung in den Blick genommen werden. Doch wenn der Rechtsextremismus den Rechtsterrorismus bewirkt und zur größten Bedrohung von Demokratie und Gesellschaft wird, ist ein „Ja, aber der Linksextremismus“ keine Lösung.
Auf diesem Feld hat es über Jahrzehnte ein analytisches Defizit der Sicherheitsbehörden gegeben. Nun werden eiligst Hunderte neue Stellen geschaffen, neue Referate, neue Schwerpunkte bis hin in das Bundeskabinett gebildet. Das reicht jedoch nicht aus.
Auch das Parlament muss ran. Debatten wie die am Donnerstag sind wichtig und können vieles offenlegen. Hinzukommen muss jedoch auch eine Enquete-Kommission, die den Gründen von Rassismus, Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit auf den Grund geht, ihre Verbreitung ermittelt und Strategien zu ihrer Bekämpfung entwickelt. Das Parlament sollte zudem nicht nur zuschauen, wie die Regierung einen Kabinettsausschuss gegen Rechtsextremismus bildet, sondern spiegelbildlich dazu ebenfalls ein eigenes parlamentarisches Gremium ins Leben rufen.
Die Abwehr rechtsextremistischer Gefahren für Staat und Gesellschaft braucht auch solche Strukturen.