Kommentar zum Zustand der Meinungsfreiheit Diskussionskultur

Eigentlich ist die Sache klar: Jeder hat das Recht, seine Meinung frei zu äußern. Schwierig ist, was das Grundgesetz nicht regelt und was man als politische Kultur umreißen kann.

 Eintönigkeit hilft nicht weiter: Wer Demokrat ist, muss auch abweichende Meinungen anerkennen.

Eintönigkeit hilft nicht weiter: Wer Demokrat ist, muss auch abweichende Meinungen anerkennen.

Foto: dpa/Boris Roessler

Meinungsbildung, um die es hier geht, hat in unserem Land einen bestimmten Zweck. Sie soll zu Mehrheiten führen, die Entscheidungen treffen. An der Meinung hängt also ein Stück der Macht. Umso sorgsamer müssen wir mit diesem fundamentalen Teil der Demokratie umgehen.

Es gibt leider ein paar Entwicklungen, die der deutschen Gesellschaft derzeit kein besonders gutes Zeugnis ausstellen. Wer seine Meinung äußert, glaubt manchmal, dass er dafür nur Zustimmung erwarten darf. Das ist leider nicht der Fall. Vielen kommt noch nicht einmal der Verdacht, der andere könnte ja vielleicht auch recht haben, oder mindestens Gründe für seine Meinung.

Meinungen haben ganz gewiss eine unterschiedliche Güte. Besonders gut sind jene, die sich auf belegbare Fakten stützen. Darauf verzichten viele inzwischen gerne und verwechseln Lautstärke mit Bedeutung, moralische Selbstgewissheit mit recht haben. Wenn jede Sachfrage mit dem Schwung einer Frage um Leben und Tode debattiert wird, kann man  sich am Ende jedoch noch nicht einmal mehr über die Leuchtstärke von Straßenlaternen einigen. Besonders schwierig wird die Sache, wenn die meisten denken, dass es immer die anderen sind, die die Fehler machen, mit deren Meinung also etwas nicht in Ordnung sein kann.

Der Rest ist eine Frage der Kinderstube: Der Meinungsstreit verlangt, dem anderen zuzubilligen, was man selbst gerne für sich in Anspruch nehmen möchte. Er fängt also bei jedem einzelnen und seinem Verhalten an. Wer zuhört, verstehen will, andere ausreden lässt, bei den Fakten bleibt, sich selbst kurz fasst und auf den Punkt kommt, macht keinen Fehler. Wer am Ende akzeptiert, sich nicht durchgesetzt zu haben, macht ebenfalls mehr richtig als falsch.

Demokratie ist eine Frage der Haltung, sie ist kein System. Zu dieser Haltung gehört es, andere Meinungen auszuhalten. Darin müssen wir alle uns wieder üben – nicht nur die Universitäten. Wir brauchen mehr Kontroversen und mehr Möglichkeiten, ins Gespräch zu kommen. Wer Angst vor Meinungsstreit hat, ist kein guter Demokrat. Wer sich nicht an die Spielregeln einer guten Diskussion hält, übrigens auch nicht.

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